In Japan gibt es wirklich allerlei Amüsantes zu entdecken. Bei meiner ersten Reise im Jahr 2018 war ich zur Taifun-Saison dort. In dieser Zeit verwandelt sich Japan nicht nur in ein tropisches Gewächshaus mit üppigem Grün und Temperaturen jenseits der 36 Grad, sondern auch sintflutartige Regenfälle gehören für einige Monate zum Alltag.
Als eines der sichersten Länder der Welt ist Japan aber dafür bekannt, dass dort so gut wie nichts geklaut wird. Es ist völlig normal, seinen Laptop oder sein Smartphone unbeaufsichtigt auf dem Tisch liegen zu lassen, während man sich im Lokal einen neuen Kaffee bestellt. Wer seinen Schlüssel oder sein Portemonnaie verliert, kann darauf vertrauen, dass – sofern es jemand sieht – diese Person einem hinterherläuft, um es zurückzugeben, und dafür sogar riskieren würde, ihren Zug zu verpassen. Am Ende zählt in Japan, dass der rechtmäßige Besitzer sein Eigentum zurückerhält.
Aber…
Regenschirme scheinen in Japan eine Ausnahme zu sein. Sie zählen dort gewissermaßen zum Allgemeingut. Die transparenten Regenschirme, die sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen beliebt sind, kosten nicht viel und sind in jedem Konbini (japanischer Convenience Store) erhältlich. Doch wer seinen Regenschirm in einen Schirmständer stellt, sollte wissen, dass er dort nicht lange bleiben wird. Mit etwas Glück findet man ihn nach der Shoppingtour noch vor, doch wahrscheinlicher ist es, dass er bereits nach wenigen Minuten einen neuen Besitzer oder eine neue Besitzerin gefunden hat.
In Japan gibt es nämlich eine Art ungeschriebene Regel: Schirme im Schirmständer gehören allen. Wird jemand vom Regen überrascht, greift er einfach zum nächsten Regenschirm, der ihm ins Auge fällt – und das kann eben auch dein liebevoll und ordentlich abgestellter Regenschirm sein. Die meisten Menschen besitzen die bereits erwähnten, transparenten Regenschirme, die sich lediglich in der Farbe des Griffs unterscheiden – mal Weiß, mal Schwarz. Diese lassen sich nicht besonders gut auseinanderhalten, und so fällt es kaum auf, wenn man versehentlich statt des eigenen Schirms den eines anderen mitnimmt. Doch Vorsicht: Das Schicksal eines ständig wechselnden Besitzers teilen alle Regenschirme im Schirmständer.
Kein großer Wert?
Regenschirme haben in Japan in der Regel nicht denselben Stellenwert wie etwa in Deutschland. Niemand hat ein schlechtes Gewissen oder fühlt sich gar als „Dieb“, wenn er sich einfach an einem Schirmständer bedient und somit neuer Besitzer eines (oder auch deines) Regenschirms wird. Tatsächlich gibt es kaum jemanden, ganz gleich ob Einheimischer oder Tourist, dem nicht schon einmal der Regenschirm „entwendet“ wurde.
Die Regel lautet
Wenn du deinen Regenschirm in einen Schirmständer stellst, hast du ihn der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.
Aber ich liebe meinen Regenschirm
Wenn du an deinem Schirm hängst, gibt es ein paar Möglichkeiten, ihn zu schützen. Generell gilt in Japan, dass man Zuhause seine Schuhe auszieht – und ebenso ist es eine feste, wenngleich ungeschriebene Regel, dass man mit einem nassen und tropfenden Regenschirm nicht durch ein Geschäft läuft. Das liegt nicht nur daran, dass der Boden sauber bleiben soll, sondern auch daran, dass ein nasser Boden die Rutschgefahr für alle Besucher erhöht.
Vor fast jedem Geschäft findest du daher Automaten für Regenschirme. Einige dieser Automaten stecken deinen Regenschirm in eine Plastikhülle, sodass du ihn eingetütet mitnehmen kannst. Andere trocknen deinen Regenschirm direkt, und es gibt sogar Automaten mit übergroßen Stoffstreifen, durch die du den Schirm mehrmals hindurchziehst, um ihn zu trocknen.
Dank dieser cleveren Lösungen musst du deinen geliebten Regenschirm nicht alleine draußen im Regen zurücklassen. Stattdessen kannst du ihn, getrocknet oder eingetütet, bequem mit auf deine Shoppingtour nehmen.
So kann das ganze aussehen