Es sind noch sechs Tage. 144 Stunden. Und dann – endet all die Planung, all die Sorgen, all die Momente des Hoffens. Alles, worauf ich so lange hingearbeitet habe, wird Wirklichkeit.
Obwohl ich es selbst war, der alles allein geplant, organisiert und letztendlich dingfest gemacht hat, kann ich es immer noch nicht ganz begreifen. Es ist ein Unterschied, sich einen Traum zu erfüllen – so wie einst meine Autos ein großer Traum für mich waren – oder ob sich dieser eine, dieser eine große Lebenstraum verwirklicht. Ich werde in meinem Herzensland aufwachen und einschlafen, den Alltag jenseits eines Urlaubs erleben. Ich werde so viele Tage in die Realität meines Traums eintauchen dürfen, dass es jetzt, in diesem Moment, schlicht unwirklich erscheint.
Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Der Gedanke, durch die Straßen abseits der Touristen-Hotspots zu schlendern, in einem Supermarkt meine Einkäufe zu erledigen – und in diesem Moment kein Tourist mehr zu sein, sondern ein Teil Japans – lässt mein Herz erblühen. Es klingt kitschig, ja, aber ich kann es nicht anders in Worte fassen.
Ich muss nicht unbedingt Kyoto sehen. Ich muss nicht jeden Schrein und jeden Tempel besuchen, von denen ich täglich Tausende Bilder in den sozialen Netzwerken sehe. Keine Frage, das alles ist beeindruckend, und natürlich habe ich in meinen Urlauben mit Freunden viele dieser Orte besucht – und sicherlich werde ich auch in Zukunft den ein oder anderen dieser Orte erkunden. Aber für mich gibt es etwas, das mich noch mehr erfüllt: einfach zu leben. Nicht als Besucher, nicht als Gast, sondern so, als wäre ich schon immer dort gewesen.
Ich suche keine Annehmlichkeiten aus Deutschland. Ich brauche keine Vierzimmer-Wohnung. Ich brauche nicht das Essen, das ich gewohnt bin. Das Essen, das ich liebe – das japanische Essen – wird mein neues Normal, sowie auch alles andere. In sechs Tagen tausche ich alles, was ich besitze, alles, was ich einmal hatte, gegen 17 Quadratmeter mitten in Japan. Ich werde auf einem Futon aufwachen, auf dem Boden schlafen – und mein täglicher Blick am Morgen wird der alte Glockenturm von Kawagoe sein.
In nur 15 Stunden, denn so lange dauert mein Flug, wird sich mein gesamtes Leben schlagartig verändern. Ich werde mich verändern. Mein Verhalten, mein Umfeld – alles wird sich wandeln. Ich habe eine Vorstellung davon, worauf ich mich einlasse, und doch weiß ich nichts. Nichts, außer dass mich dieser, bisher größte Schritt meines Lebens, unendlich glücklich macht.
Das ist der Moment, an dem viele Menschen, die einen ähnlichen Traum hatten und ihn verwirklicht haben, schreiben würden, dass sie alles, wirklich alles, dafür gegeben haben. Dass hinter ihnen Jahre der Planung liegen. Dass sie monatelang vorbereitet, kalkuliert und getüftelt haben.
Natürlich habe auch ich geplant, vorbereitet, vieles aufgegeben. Ich habe mir nächtelang den Kopf zerbrochen, bin in Tagträume versunken. Doch wenn ich ehrlich bin – es war ganz anders.
Ja, ich habe schon seit Jahren davon gesprochen, dass ich eines Tages in Japan leben werde. Und ja, irgendwie habe ich auch jahrelang geplant. Doch es war nicht so, dass ich Abend für Abend nach der Arbeit an meinem Schreibtisch saß und Strategien schmiedete.
Es war ein schleichender Prozess. Ein Prozess, bei dem ich mich immer mehr in Japan verliebt habe.
Irgendwann in der nahen Vergangenheit kam der Tag, an dem aus diesem stillen Wunsch, aus diesem im Unterbewusstsein schwelenden Traum, eine klare Entscheidung wurde. Und zwar ganz ohne großes Grübeln, ohne Abwägen von Konsequenzen, ohne eine einzige Sekunde über die Machbarkeit nachzudenken.
Eines Morgens war es einfach klar: Nächstes Jahr im Januar wird es soweit sein. Punkt.
Das war der Moment, in dem alles begann. Und das war vor 13 Monaten.
Ich schrieb einige E-Mails an die japanische Botschaft, las viele Dokumente und Bücher, durchforstete das Internet nach Informationen. Als ich nach wenigen Wochen alles zusammengetragen hatte, was ich für relevant hielt, sprach ich mit meinen Freunden und meiner Familie. Oder besser gesagt – ich informierte sie. Denn für mich stand es längst fest.
Der schwierigste Schritt auf dieser riesigen Treppe war jedoch noch ausstehend: mein Job. Ich überrannte meinen Chef mit meiner Entscheidung, weil ich keinen „perfekten Moment“ für diese Nachricht fand. Also handelte ich nach dem Motto: Jetzt oder nie.
Und was soll ich sagen? Natürlich gehört zu einem solchen Vorhaben eine Menge Glück. Und das Universum war mir wohlgesonnen. Mein Chef unterstützte mich in meinem Vorhaben – und auf meiner To-Do-Liste blieb nur noch eines übrig: Fleiß.
Ich brauchte Geld. Viel Geld. Also sparte ich, verkaufte, was ich konnte. Nach nur wenigen Wochen war auch das erledigt. Ich buchte letztlich meinen Flug und mietete meine Wohnungen entlang der Route die ich erkunden möchte – und nun stehe ich hier. 144 Stunden vor meinem Traum.
Zwischen dem Moment, in dem ich diese Entscheidung traf, und meinem Abflug lagen streng genommen nur 11 Monate. In dieser Zeit bin ich noch umgezogen, habe meinen Bootsführerschein gemacht und war Ende 2024 noch einmal in Japan im Urlaub. Und ich habe natürlich all die Dinge erlebt, die das Leben eben so mit sich bringt. Es war also keine jahrelange, penible Planung.
Und das ist der Punkt, an dem ich jedem, der diesen Text liest, nur eines mitgeben möchte:
Wenn du einen Wunsch hast – wenn du etwas wirklich möchtest – dann sprich es aus und fang an.
Heute. Jetzt sofort.
Nichts auf dem Weg zu deinem Traum wird sich wie ein Hindernis anfühlen. Nichts wird eine unüberwindbare Hürde sein. Alles auf dem Weg zu deinem Ziel sind nur Steine, die es aufzusammeln gilt, keine die dir den Weg versperren.
Und wenn du diesen Weg gehst, dann wirst du merken: Es ist dein Weg. Und er wird dich genau dorthin führen, wo du sein sollst.