47 Geheimnisse – Japans Präfekturen
47 Geheimnisse – Japans Präfekturen

47 Geheimnisse – Japans Präfekturen

Lesedauer 5 Minuten

In Japan hat sich mit Sicherheit die Mehrheit der Besucher – und auch der aus dem Ausland zugezogenen Menschen – irgendwann einmal die Frage gestellt: Was ist eigentlich eine Präfektur?

Todōfuken (都道府県) – also die Präfekturen Japans – sind, einfach gesagt, Verwaltungszonen (oder genauer: Gebietskörperschaften), in die Japan unterteilt ist. Ganz so simpel ist es jedoch nicht, denn schon der Begriff Todōfuken selbst birgt Komplexität. Zwar bedeutet das Wort in seiner Gesamtheit „die Präfekturen Japans“, doch da es im Japanischen keinen grammatikalischen Plural gibt, bedeutet jeder Bestandteil des Wortes – To-dō-fu-ken – einzeln betrachtet ebenfalls schlicht: Präfektur. Warum aber gibt es vier unterschiedliche Bezeichnungen für ein und dasselbe Konzept? Der Grund liegt tief in der japanischen Geschichte und hängt mit den unterschiedlichen Arten von Verwaltungseinheiten zusammen. Heute finden diese Nomen und Suffixe unter anderem in Postadressen Verwendung.

Erklärung…

Das Wort 都 to 道 dō 府 fu 県 ken – setzt sich aus den folgenden vier Teilen zusammen:

TO (都), als Suffix zu finden bei Tokyo-to, bezeichnet die Hauptstadtpräfektur/Landeshauptstadt

(道), in Hokkai, bezeichnet diesen Ort als Provinzpräfektur

FU (府), in Kyōto-fu und Ōsaka-fu, steht für eine Metropolpräfektur

KEN (県) steht schlicht für Präfektur und deckt somit alle übrigen 43 Verwaltungseinheiten ab

ええええ…?

Ja, ich weiß – das klingt verwirrend, tatsächlich kratzt das aber nur an der Oberfläche des Themas. Vielleicht schreibe ich in einem anderen Beitrag einmal ausführlicher über japanische Postadressen – für alle, die ihre Synapsen so richtig verknoten wollen. Der Vollständigkeit halber liste ich hier aber schon einmal ein paar weitere Suffixe auf, die zwar nicht direkt in Zusammenhang mit dem Thema Präfekturen stehen aber dennoch spannend sind.

Weitere (Präfixe) Suffixe

-shi (市)
etwa in Kawagoe-shi, bezeichnet eine kreisfreie Stadt aber auch Großstädte

-gun (郡)
steht für einen Landkreis oder auch ein Distrikt

-ku (区)
dürfte jeder kennen von Shinjuku-ku, beschreibt einen Stadt- oder Sonderbezirk

-mura/son (村)
kennzeichnet ein Dorf

-machi/chō (町)
hat mehrere Bedeutungen, entweder beschreibt es eine Ortsgemeinde bzw. ein kreiszugehörige Kleinstadt oder nur einen Teil eines Stadtbezirks

-aza (字)
Achtung, das ist ein Prefix und bezeichnet ebenfalls eine Ortsgemeinde

-chōme (丁目)
auch das kennt jeder, der schon mal japanische Adressen gesehen hat, es bezeichnet ein Viertel innerhalb eines Stadtbezirks

-banchi (番地)
bezeichnet einen Block innerhalb eines Viertels

-gō (号)
was noch übrig bleibt ist… natürlich, die Hausnummer

Und was ist nun eine Präfektur?

Jede der 47 Präfekturen bildet für sich genommen, die mittlere Ebene zwischen Zentralregierung und den Gemeinden – quasi den „Mittelsmann“. Jede Präfektur hat eine eigene Hauptstadt, die zugleich das administrative Zentrum darstellt – so wie Kyōto in der Präfektur Kyōto. In der Regel sind diese Hauptstädte auch das kulturelle Herzstück jeder Präfektur und zugleich die wirtschaftlich und touristisch bedeutendsten Städte. Darüber hinaus befinden sich dort die wichtigsten Regierungs- und Verwaltungsgebäude.

Jede Präfektur ist heute in weitere Unterpräfekturen, sogenannte Chiiki (地域) unterteilt, die wiederum in Gemeinden gegliedert sind. Diese Gemeinden umfassen die Verwaltungseinheiten, die du bereits weiter oben bei den Prä- und Suffixen kennengelernt hast: Sonderbezirke, Dörfer, Großstädte, kreisfreie Städte und so weiter.

Natürlich wurden Präfekturen nicht eingeführt, um die japanische Landkarte lediglich farbenfroher zu gestalten oder hübsche Linien auf Papier zu ziehen – sie erfüllen eine wichtige Funktion. Jede Präfektur hat ihren eigenen Gouverneur, der alle vier Jahre neu gewählt wird. Im Sinne der in der Verfassung festgeschriebenen Selbstverwaltung der Gemeinden und Präfekturen, ist es der Zentralregierung untersagt, ein Sondergesetz zu erlassen, das nur für eine bestimmte Gebietskörperschaft gilt, ohne die Zustimmung der betroffenen Einwohner einzuholen (Artikel 95). Neuere Gesetze der Zentralregierung sind jedoch oft so formuliert, dass sie vieles auch ohne die Zustimmung der einzelnen Präfekturen umsetzen kann.

Doch auch wenn die Präfekturen politisch gesehen heute nicht mehr so viel Mitspracherecht haben wie einst, sind sie keineswegs völlig passiv. Die Japaner identifizieren sich gerne und stark mit ihrem Dorf, ihrer Stadt und ihrer Region. Das Bestreben, regionale Eigenheiten und kulturelle Errungenschaften zu bewahren und zu pflegen, ist tief in der Gesellschaft verwurzelt. Bei der Wahrung und Pflege dieser Besonderheiten, der kulturellen Identität sowie anderer Entscheidungen auf Präfekturebene spielt der Gouverneur eine zentrale Rolle.

Die Legislative innerhalb einer Präfektur besteht aus einem Einkammerparlament. Das bedeutet, dass die Versammlung aller Parlamentarier die gesamte (insbesondere gesetzgebende) Staatsgewalt innehat. Dadurch werden intraparlamentarische Blockaden – also Situationen, in denen eine einzelne Kammer beispielsweise die Vorstöße der anderen durch ein Veto verhindert – vermieden.

Darüber hinaus waren Präfekturen in der Vergangenheit häufig Vorreiter moderner Gesetzgebungen, die später von der Zentralregierung übernommen wurden.

Übrigens…

Die 47 Präfekturen Japans sind in 8 (wichtig: politische) Regionen gruppiert, von denen du mit Sicherheit schon gehört hast. Quasi inoffiziell gibt es jedoch – je nach Auslegung und Verfasser – auch Karten, auf denen zusätzlich die Regionen Tōkai, Hokuriku und Kōshin’etsu dargestellt sind. Diese zählen (politisch betrachtet) allesamt als Unterregionen einer der 8 Hauptregionen. Nachfolgend einmal aufgelistet, geordnet von Norden nach Süden, sind alle 8 Regionen mit ihren dazugehörigen Präfekturen:

Hokkaidō

Hokkaidō

Tōhoku

Aomori, Iwate, Miyagi, Akita, Yamagata, Fukushima

Kantō

Ibaraki, Tochigi, Gunma, Saitama, Chiba, Tōkyō, Kanagawa

Chūbu

Niigata, Toyama, Ishikawa, Fukui, Yamanashi, Nagano, Gifu, Shizuoka, Aichi

Kinki (oftmals Kansai)

Mie, Shiga, Kyōto, Ōsaka, Hyōgo, Nara, Wakayama

Chūgoku

Tottori, Shimane, Okayama, Hiroshima, Yamaguchi

Shikoku

Tokushima, Kagawa, Ehime, Kōchi

Kyūshū

Fukuoka, Saga, Nagasaki, Kumamoto, Ōita, Miyazaki, Kagoshima, Okinawa

Touri-Tipp

Von den Präfekturhauptstädten aus gelangst du – da sie auch immer zentrale Verkehrsknotenpunkte sind – mit Bus und Bahn, am schnellsten zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten.

47 Geheimnisse

Japans Präfekturen sind zwar kein Geheimnis, einige aber durchaus Geheimtipps 😉 Doch den meisten Menschen sind leider nur wenige davon bekannt. Jede Präfektur hat ihre ganz eigene Identität und bietet einzigartige kulturelle und kulinarische Highlights. Man könnte fast sagen, dass jede Präfektur wie eine eigene kleine Welt ist, mit ihrer ganz eigenen faszinierenden Natur. Atemberaubende Sehenswürdigkeiten, unvergessliche Erlebnisse und spannende Entdeckungen erwarten dich, wenn du dich darauf einlässt.

Ein offenes Geheimnis

Natürlich führt der erste Besuch Japans die meisten Menschen nach Tōkyō – und das ist vollkommen verständlich. Schade ist jedoch, dass viele Reisende die anderen Präfekturen fast vollständig übersehen und auch niemals in eine andere Präfektur reisen.

Ich möchte gar nicht behaupten, dass Tōkyō uninteressant ist – ganz im Gegenteil: Ich liebe Tōkyō und bin als Großstadtkind ein absoluter Tōkyō-Fan. Doch man sollte nicht vergessen, dass Japan noch 46 weitere Präfekturen zu bieten hat.

Entschuldigung – aber…

Ja – Kyōto ist schön!

Doch leider wird diese wundervolle Präfektur von Touristen überrannt. Immer wieder gibt es Schlagzeilen über unhöfliches Verhalten von Besuchern: Sie dringen in Wohnungen und Häuser ein, bedrängen Maikos und Geishas oder beschädigen Tempel. Die Masse an Touristen hat längst ein kaum noch tragbares Maß erreicht.

Bitte denk daran: Kyōto ist keine Touristenattraktion, sondern eine Stadt, in der Menschen leben und arbeiten. Begegne den Einheimischen mit Respekt! Informier dich über andere schöne Orte in Japan und überlege, ob ein Tagesausflug nach Kyōto wirklich sein muss. Auch außerhalb von Kyōto gibt es Bambuswälder, traditionelle Städte und Bauwerke, Tempel und Schreine aus der Edō-Zeit.

Touri-Tipp

Besuche Sehenswürdigkeiten morgens oder abends – zu diesen Zeiten sind sie nahezu menschenleer. Wenn du Fotos machen oder die Orte Ruhe und Stille genießen möchtest, plane deinen Besuch in den frühen Morgenstunden. Aber auch hier gilt: Verhalte dich respektvoll gegenüber den Menschen, der Kultur und den Orten, die du besuchst.

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