Ich liebe Japan, aber ich bin auch hier, um in jeder Jahreszeit möglichst alles einmal erlebt zu haben, was zum japanischen Alltag gehört. Ich werde dir also nicht nur davon vorschwärmen, wie unfassbar toll hier alles ist (auch wenn es das oft ist) und was du unbedingt gesehen, gegessen oder gemacht haben musst. Vielmehr möchte ich dir auch von den Dingen erzählen, die vielleicht nicht so großartig sind oder die man nicht unbedingt erwarten würde.
Wenn man an Japan denkt, kommen einem sofort Bilder vom Fuji-san, einer Vielzahl leckerer Gerichte und Getränke, sowie der Gedanke an eine hochentwickelte technologische Welt in den Sinn. Das stimmt auch – Japan ist technologisch extrem fortschrittlich. Doch dieser Fortschritt zieht sich nicht zwangsläufig durch alle Lebensbereiche (oder ist eben nicht für jeden erschwinglich). Für viele Herausforderungen gibt es hier Insellösungen, die ich persönlich äußerst charmant finde und die für mich „das Japan“ ausmachen, das ich so sehr liebe. Für andere mögen diese Lösungen jedoch eher kurios oder sogar abschreckend wirken.
Der erste Morgen
Eigentlich war es ja schon mein zweiter Morgen, denn ich bin ja am Tag zuvor morgens um 9 Uhr gelandet. In meiner 11,5 m² großen 1R-Wohnung (*eine Erklärung dazu findest du weiter unten) hatte ich mich erstaunlich schnell eingelebt – sogar, ohne mich zu verlaufen. Apropos Laufen: Genau das wollte mein Körper. Alles in mir kribbelte vor Aufregung; ich wollte endlich diesen Ort erkunden, auf den ich mich so lange gefreut hatte.
Doch es war unfassbar kalt. Nach einer Nacht mit ausreichend Schlaf war mir dann auch klar, dass meine Kälte nicht von Übermüdung kam, sondern von den Gegebenheiten meiner Wohnung. Die Fenster und Balkontüren sind ungefähr so dick wie ein Post-it-Block, und auch die Außenwände lassen wenig Platz für eine Dämmung. Das Heizen mit der Klimaanlage ist zwar möglich, funktioniert aber ehrlich gesagt nur mittelmäßig und dauert eine Ewigkeit.
Jetzt verstehe ich, warum mein Vermieter mir am Abend noch einen Heizstrahler gebracht hatte, der allerdings nur wärmt, wenn man direkt davor sitzt – am besten im Abstand von 20cm. Zum Glück liebe ich den Winter und friere nicht allzu schnell; ich mag es generell etwas kühler. Aber mir in meiner eigenen Wohnung beim Atmen zusehen zu können, war dann selbst für mich etwas zu kühl.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich den Dreh raushatte, wie man den Heizstrahler und die Klimaanlage sinnvoll kombiniert. Letztlich hat es dann aber irgendwie funktioniert. Trotzdem habe ich mir noch nie so sehr einen Kotatsu gewünscht wie jetzt – leider habe ich keinen in meiner Wohnung.
Und ja, falls du dich jetzt fragst ob es hier keine Heizungen gibt…? Nein, also doch – es ist kompliziert. Die meisten Menschen in Japan heizen tatsächlich mit ihrer Klimaanlange und/oder einem Heizstrahler. Fast alle Haushalte besitzen auch einen Kotatsu, also einen beheizten Tisch der rundherum von einer dicken Decke umgeben ist unter die man seine Füße und Beine schiebt, die dann gewärmt werden während man am Tisch isst, spielt oder arbeitet. Klassiche Heizungen wie man sie aus Deutschland kennt, gibt es hier nicht. Einige Wohnungen und Häuser besitzen eine Fußbodenheizung und auch gedämmte Wände sowie doppelt verglaste Fenster, dass ist aber eher die Ausnahme (vor allem wenn man ländlicher wohnt) und zudem sehr teuer. Ich könnte einen ganzen Blog mit den Antworten auf das Warum? füllen aber ich mach’s kurz. Zum einen bauen die Japaner nicht unbedingt für die Ewigkeit, meistens steht schon zum Baubeginn fest, dass ein Wohnhaus nach 20 oder 30 Jahren (manchmal auch weniger) wieder abgerissen und nach neuen, aktuellen Standards wieder aufgebaut wird, zum anderen ist es hier die meiste Zeit eher sehr warm und schwül – auch jetzt habe ich tagsüber bis zu 15°C und nur gegen Abend und in der Nacht um die -2°C. Ein anderer Punkt für das fehlen von Heizungen, Dämmungen, doppeltverglasten Fenstern und Co. ist natürlich der Preis, sowohl für die Baufirma als auch für die späteren Mieter. Und nicht zuletzt lebt man hier im erdbebenreichste Gebiet der Welt, alles was nicht da ist, kann auch nicht kaputt gehen.
Erstmal eine heiße Dusche
Keine Sorge, heißes Wasser gibt es hier – aber auch das funktioniert anders, als man es aus Europa gewohnt ist. Wieder einmal spielen die Infrastruktur, die immense Anzahl an Wohnungen sowie die Faktoren Geld und Erdbebensicherheit eine entscheidende Rolle. Fernwärme, wie man sie aus Europa kennt, ist hier meist keine Option. Zwar existiert sie vereinzelt, doch in der Regel hat jedes Haus nur einen Kaltwasseranschluss.
Wenn ich heißes Wasser brauche – zum Spülen, Duschen oder Baden –, muss ich lediglich vorher einen Knopf drücken. Optional kann ich noch ein paar Einstellungen vornehmen, und schon steht mir nach wenigen Sekunden heißes Wasser zur Verfügung – solange ich möchte und solange die Stromrechnung bezahlt ist.
Nach dem Duschen ist…
…genau, vor dem Wasserdampf. Dieser mischt sich mit der ohnehin im Winter überall vorhandenen Feuchtigkeit in der Wohnung. Es ist wirklich ein Teufelskreis: Fenster auf – kalt und feucht. Fenster zu – noch feuchter, aber ein bisschen wärmer. Nach einer Nacht mit eingeschaltetem Heizstrahler und ohne Klimaanlage kann man morgens direkt die Fenster putzen, sie sind komplett nass.
Wer nahezu taub – und reich – ist, könnte natürlich die ganze Nacht mit eingeschalteter Klimaanlage schlafen. Dann wäre das Problem mit der Feuchtigkeit wohl gelöst. Aber für die meisten, wie auch für mich, bleibt nur eine Option: morgens ordentlich lüften, egal wie kalt es draußen ist. Wie sich das Ganze verhält, wenn es im Winter auch noch regnet, schreibe ich hier gerne, sobald es geregnet hat.
Ich halte mich mit meinem Heizstrahler und meiner neuen Errungenschaft aus dem Don Quijote warm 😊




Chlor im Wasser?!
Auch wenn ich immer wieder im Internet lese, dass das japanische Trinkwasser vor 20 Jahren noch gechlort wurde und dies heute nicht mehr der Fall sei … dann drehe ich einfach kurz meinen Wasserhahn auf und fühle mich sofort wie im Schwimmbad. Das Wasser, das hier in Tōkyō aus der Leitung kommt, ist nach wie vor mit Chlor versetzt – ja auch im Jahr 2025. Eine bestimmte Chlor-Konzentration von etwa 0.1mg/L wird absichtlich bis zum Endabnehmer – also dem Wasserhahn – aufrechterhalten. Diese Menge gilt als unbedenklich, allerdings wird Schwangeren und stillenden Frauen davon abgeraten, es zu trinken.
Die meisten Menschen in Japan filtern ihr Wasser zu Hause noch einmal, um den Chlorgeruch und -geschmack zu entfernen. Bei mir ist das Ganze eine Art Hassliebe. Zum Trinken mag ich das Wasser eher nicht, aber beim Duschen genieße ich manchmal sogar den Chlorgeruch. Was mich jedoch viel mehr stört, ist das generell sehr kalkhaltige und damit extrem harte Wasser in Japan.
Man merkt den Unterschied deutlich, besonders wenn man aus Deutschland kommt und weiches Wasser gewohnt ist. Duschen, Baden, Hände waschen – alles fühlt sich ein wenig anders an. Und von den Wasserflecken und Kalkrändern, die sich wirklich überall im Bad ansammeln, fange ich jetzt besser gar nicht erst an. Damit muss man sich hier einfach abfinden.
(M)ein Fazit
Je nach Wohnungstyp muss man sich in Japan unter Umständen damit abfinden, dass es ziemlich kalt ist, wenn man nach einem langen Tag nach Hause kommt – besonders, wenn man nicht das nötige Kleingeld hat, um den ganzen Tag die Klimaanlage im Heizmodus laufen zu lassen. Nachts braucht man entweder ein dickes Fell – im übertragenen und wortwörtlichen Sinne – oder man findet Alternativen zur laut summenden Klimaanlage, um sich im Schlaf warm zu halten.
Morgens zu lüften ist generell eine gute Idee und in Japan ein absolutes Muss, um Schimmelbildung zu vermeiden. Nach ein paar Tagen hat man sich jedoch an die Gegebenheiten gewöhnt und entwickelt seine ganz eigenen Strategien, um es schnell warm und gemütlich zu machen. Mit ein paar zusätzlichen Hilfsmitteln, wie etwa beheizten Socken, kann das Ganze sogar richtig cozy 🤗 werden.
Erklärung
1DK, 1K, 1R, 2LDK, SLDK
Das sind wohl die häufigsten Begriffe, die dir in Japan immer wieder begegnen werden – vor allem, wenn du auf Wohnungssuche bist. Aber auch im Stadtbild fallen sie auf, wenn Wohnfläche zur Vermietung steht. Das anfangs vielleicht verwirrend wirkende System ist eigentlich ganz einfach.
Das R steht für Room (Raum), also bedeutet 1R eine Wohnung mit nur einem Raum. Natürlich haben alle Wohnungen ein Bad und einen Kochbereich (ich sage hier absichtlich nicht „Küche“!). Das K steht für Kitchen (Küche), das L für Living Room (Wohnzimmer) und das D für Dining Room (Esszimmer).
Der Unterschied zwischen einer 1R– und einer 1K-Wohnung ist die Möglichkeit, zwischen dem Kochbereich und dem anderen Raum eine Wand mit Tür zu haben. Hat die Wohnung eine solche Abtrennung, wird aus einer 1R– eine 1K-Wohnung, da der abgetrennte Bereich als „Küche“ gilt. In meiner Wohnung gibt es nur einen offenen Durchgang, aber keine Tür – man könnte also sagen: offene Küche.
Wenn in der Küche mehr Platz ist, etwa genug, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen, und vielleicht noch ein kleiner Tisch oder eine Theke an die Wand passt, an der man stehend sein selbstgekochtes Ramen genießen kann, dann spricht man schon von einem großzügigen 1K-Apartment. Soll es ein bisschen mehr Platz sein, sodass vielleicht sogar ein Tisch mit zwei Stühlen hineinpasst, braucht man mindestens ein 1DK-Apartment.
Der Wohnungsschnitt, der am ehesten einer deutschen Standard-Wohnung ähnelt, ist die 1LDK-Wohnung. Im Prinzip ist das eine 1DK-Wohnung mit einem zusätzlichen Raum, der beispielsweise als Schlafzimmer genutzt werden kann.

Auf den Grundrissen der Wohnung oder auf Schildern, meist direkt hinter der Wohnungsbezeichnung (z. B. 3LDK), finden sich oft zusätzliche Angaben wie 6畳 oder 7.3帖. Alle möglichen Zahlen können dort stehen, denn sie geben die Größe der Wohnung in Jō an. Und Japan wäre ja nicht Japan, wenn dort einfach die Quadratmeterzahl angegeben würde. Diese Zahlen beziehen sich auf die Größe der Wohnung in Tatami-Matten. Tatamis sind genormt, wobei es – typisch japanisch – mehrere Standardgrößen gibt. Für Apartments ist jedoch die Normgröße 団地間 (Danchima) am häufigsten, bei der eine Tatami-Matte 850 mm × 1700 mm groß ist, also 1,445 m².
Jetzt musste ich feststellen, dass ich diesen Beitrag noch gar nicht gelesen hatte. Schande über mein Haupt 😀
Vielen Dank für die Erklärung zu den Wohnungsgrößen. Sind schon verrückt, diese Japaner ^^
Haha! Ja das stimmt wohl aber auf eine sehr liebevolle Art und Weise <3