In Japan sieht man fast überall um Grundstücke, vor Gärten und Hauseingängen und auch vor Ladeneingängen scheinbar liebevoll platzierte Wasserflaschen – meist 2-Liter-Flaschen. Selten ist es nur eine einzige Flasche; oft stehen bis zu zehn Flaschen an einem Ort und fristen dort ihr Dasein. Doch warum stehen sie da überhaupt? Im Internet findet man dazu nahezu jede erdenkliche Theorie. Die Wasserflaschen könnten als Notration dienen, falls nach einem Erdbeben die Toilettenspülung ausfällt oder um kleine Brände zu löschen, falls die Feuerwehr im Chaos eines Erdbebens länger braucht. Manche glauben, die japanische Bevölkerung sei einfach unfassbar freundlich und stelle im Sommer kostenloses Wasser für alle bereit. Doch Vorsicht: Diese Flaschen solltest du lieber nicht trinken und allgemein lieber die Finger von fremdem Eigentum lassen.
Der wahre Grund
Warum stehen also diese Wasserflaschen überall? Die Antwort ist simpel: Sie sollen ungebetene Gäste vom Grundstück fernhalten. Dabei handelt es sich in erster Linie um Katzen.
Japan hat ein Katzenproblem – und ich spreche nicht von den süßen Katzenohren in Animes oder Cat-Cosplays, sondern von den fast 70.000 streunenden Katzen, Tendenz steigend. Japan ohne Katzen ist undenkbar, die Japaner lieben ihre Katzen und viele haben lieber mehr als keine. Aber niemand möchte streunende Katzen auf seinem Grundstück, denn es ist eine weit verbreitete Annahme, dass streunende Katzen Unruhe in die Nachbarschaft bringen. Besonders störend ist dabei ihr Geruch und das „Wildpinkeln“. Also, was tun? Wasserflaschen aufstellen! Das soll die Fellnasen nämlich davon abhalten, sich dem Grundstück zu nähern oder sich darauf aufzuhalten.

えええええ … ?
Katzen und Hunde sehen die Welt etwas anders als wir. Zwar ist das Sichtfeld von Katzen größer als das von Menschen und die Wahrnehmung um einiges schärfer, aber Farben sehen sie deutlich blasser. Man könnte sagen, dass ihre Farbpalette kleiner ist als die des Menschen, fast wie ein Bild mit einem Filter darüber. Dafür wirken die Farben für Katzenaugen intensiver – und hier kommt das Wasser ins Spiel. Vor allem das Sonnenlicht wird durch das Wasser und die Plastikflasche stark reflektiert und gestreut. Die Katze wird geblendet und soll durch die Lichtreflexe erschreckt werden. Aus diesem Grund verwenden manche Japaner zusätzlich alte CDs, Alufolie und andere glänzende Materialien, die sie an Äste hängen.
Und das klappt?
Nö 😹 Vielleicht erschrecken sich einige Katzen kurzzeitig, aber dumm sind die Fellnasen nicht. Einige japanische Fernsehsendungen haben das Phänomen mehr oder weniger untersucht und schnell festgestellt, dass Katzen verstehen, dass die Wasserflaschen weder eine Gefahr noch ein Hindernis darstellen.
Das hält allerdings kaum jemanden davon ab, diesen Aberglauben fortzuführen – getreu dem Motto: Besser als nichts.
Interessant
Die meisten Katzen verstehen ihr eigenes Spiegelbild nicht und sehen darin eher einen Artgenossen. Auch wenn dieser Artgenosse oft ignoriert wird, kommt es hin und wieder zu „Angriffen“ auf das eigene Spiegelbild. Diese Eigenart machen sich einige Menschen ebenfalls zunutze, indem sie flache Schalen mit Wasser aufstellen. Die Idee dahinter: Die Katze sieht sich selbst im Wasserspiegel und denkt sich: „Okay, hier ist schon jemand – ich gehe woanders hin.“