Japan & Deutschland
Japan & Deutschland

Japan & Deutschland

Lesedauer 7 Minuten

In Japan ist fast alles aus Deutschland gern gesehen – ja, sogar die Touristen. Die Deutsche Kultur ist in Japan sehr beliebt, das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass in ganz Japan riesige Oktoberfeste und Weihnachtsmärkte veranstaltet werden. Auch wenn das Bild von Deutschland, wie fast überall auf der Welt, stark von der bayerischen Kultur geprägt ist. Natürlich wissen die Menschen in Japan, dass wir nicht alle ständig in Dirndl und Lederhosen herumlaufen, doch genau dieses Bild wird bei aus Deutschland stammenden Festen gerne vermittelt.

Auch in Themenparks wie dem Deutschen Kulturdorf Ueno (うえのドイツ文化村, Ueno Doitsu Bunka Mura) in Okinawa oder dem Themenpark in Chiba, der dem deutschen Landleben gewidmet ist, entsteht ein recht vereinfachtes Bild der deutschen Kultur. Doch das Bemühen ist da – ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, muss man sagen: Unsere japanischen Angebote in Deutschland zeigen oft auch nur eine verzerrte Version des echten Japan.

Warum diese Deutschland-Liebe?

Man könnte die Frage auch umdrehen: Warum diese Japan-Liebe in Deutschland?
Japan fasziniert mit seiner einzigartigen Natur, der reichen Kultur und dem köstlichen Essen. Dank Netflix, Spotify und Co. gewinnen Animes, Serien und Musik aus Japan zunehmend an internationaler Beliebtheit. In den letzten Jahren scheint das Interesse an Japan sogar noch gewachsen zu sein. Im Internet entstehen immer mehr Lernplattformen für die japanische Sprache, und in Städten wie Düsseldorf oder Bochum eröffnen immer neue japanische (und koreanische) Restaurants, Supermärkte und Cafés.

Doch die deutsch-japanische Verbindung reicht viel tiefer.

Wie so oft könnte dieser Abschnitt mit den Worten beginnen: „In der frühen japanischen Geschichte…“. Doch so weit möchte ich gar nicht zurückgehen. Daher fasse ich die wichtigsten Punkte kurz zusammen – oder versuche es zumindest.

Kurz & knapp hat leider nicht funktioniert 😉

Das 17. Jahrhundert

Japan befand sich in dieser Zeit in nahezu völliger Selbstisolation. Es gab kaum Handelsbeziehungen oder kulturellen Austausch mit der Außenwelt – was dazu beigetragen hat, dass Japan bis heute so einzigartig ist.

Dann geschah jedoch etwas Besonderes: Die ersten Deutschen erreichten Japan im Rahmen der Niederländischen Ostindien-Kompanie – einer Vereinigung niederländischer Kaufmannskompanien, die gegründet wurde, um die Konkurrenz untereinander zu beseitigen. Die allerersten Europäer, denen die Einreise gestattet wurde, landeten auf Dejima, einer künstlichen Insel in der Bucht von Nagasaki. Ihre Ankunft erfolgte unter strenger Beobachtung, und mit ihnen kamen auch deutsche Kaufleute, Handelsassistenten und Ärzte nach Japan, die ihr Wissen mit der japanischen Bevölkerung teilten. So begann bereits zu dieser Zeit ein kleiner, aber bedeutender Kulturaustausch.

Das 19. Jahrhundert

Dieses Jahrhundert markierte den Beginn der Modernisierung Japans.

Japan öffnete sich – mehr oder weniger freiwillig, teils auch unter dem Druck der USA 😉 – endlich der Welt. Während der sogenannten Meiji-Restauration (明治維新, Meiji Ishin), die zwischen 1868 und 1912 stattfand, spielte Deutschland eine zentrale Rolle.

Deutschland unterstützte Japan maßgeblich bei der Einführung westlicher Technologien und anderer moderner Einflüsse. Politisch und militärisch diente das damalige Preußen als Vorbild. Die preußische Verfassung und das Militärsystem beeinflussten die Entwicklung der japanischen Staatsstrukturen erheblich: So orientierte sich etwa die Meiji-Verfassung stark an der preußischen Vorlage, und Einflüsse Deutschlands sind bis heute in der japanischen Verfassung erkennbar. Mehr dazu? Wikipedia weiß Bescheid!

Auch die deutsche Sprache hinterließ Spuren: Viele medizinische Fachbegriffe, wie Arerugī (アレルギー, Allergie) oder Rentogen (レントゲン, Röntgen), stammen aus dem Deutschen. Hinzu kommen noch viele weitere Begriffe wie Autobān (アウトバーン, Autobahn) oder Ryukkusakku (リュックサック, Rucksack). Diese Lehnwörter wurden natürlich an die japanische Aussprache angepasst und, wie alle in die japanische Sprache übernommenen Wörter, werden sie in Katakana geschrieben. Deutschland hat Japan zwar keinen „typisch deutschen Stempel“ aufgedrückt, aber mit einer beeindruckenden Liste an Lehnwörtern einen bleibenden Eindruck hinterlassen – und das nicht nur in der Sprache.

Der 2. Weltkrieg

Auch das Bündnis zwischen Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg gehört zur gemeinsamen Geschichte. Doch darüber wird auf beiden Seiten ungern gesprochen – und auch ich belasse es bei dieser schrecklichen Erwähnung der Menschheitsgeschichte.

Aber, aber, aber

Du hast Recht! Auch mir erscheint dieses Bild ein wenig zu einseitig – als wäre Japan während der Meiji-Zeit regelrecht „rückständig“ gewesen. Das stimmt so aber überhaupt nicht!

Während der Meiji-Zeit führte das japanische Kaiserhaus gezielte Studien und Forschungen in der westlichen Welt durch und entsandte dafür seine besten Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen, darunter Physik, Chemie, Medizin, Politik und natürlich dem Militär. Die Führungsriege erkannte in dem damals noch jungen und gerade erst geeinten Deutschland mit seinen preußischen Strukturen eine vielversprechende Chance. Sie war von Preußens Erfolg sowie von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ähnlichkeiten zum eigenen Land geradezu begeistert. Diese Faszination führte letztlich dazu, dass Japan einen engen Austausch mit Deutschland pflegte und zahlreiche Strukturen und Ideen aus Deutschland für die eigene Modernisierung adaptierte.

Ähnlichkeiten? Ehm, bitte was?
Ja, genau! Bis heute haben Deutsche den Ruf, ebenso fleißig und pünktlich zu sein wie die Japaner. Sie gelten als gut gekleidet, höflich und zuvorkommend. Für die Deutsche Bahn trifft das mit der Pünktlichkeit jedenfalls eher nicht zu 😉

Fun-Fact
Einige ältere japanische Ärzte sprechen noch immer Deutsch. Doch heutzutage wendet sich Japan vermehrt internationalen, englischen Begriffen zu, was dazu führt, dass immer mehr medizinische deutsche Begriffe aus der japanischen Sprache verschwinden.

Genug Geschichte

Wie gesagt, ich habe hier geschichtlich nur an der Oberfläche gekratzt und die Ereignisse auf einige wenige Fakten reduziert. Jetzt weißt du jedoch, dass Deutschland und Japan schon seit langer Zeit enge Beziehungen pflegen – eine Verbindung, die wie eine tiefe Freundschaft ist und bis heute Bestand hat. Natürlich gab es im Lauf der Geschichte auch kleinere Krisen, und die freundschaftlichen Beziehungen kühlten zeitweise stark ab. Diese „Eiszeit“ fand jedoch ein versöhnliches Ende: 1955 nahmen Japan und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) wieder diplomatische Beziehungen auf (mit der DDR folgte dies 1973), und am 14. Februar 1957 wurde das Deutsch-Japanische Kulturabkommen unterzeichnet.

Moment Mal

Den Teil mit der Geschichte können wir doch nicht so schnell verlassen! Es wäre falsch zu behaupten, dass Japan absolut „Deutschland-verliebt“ ist – aber irgendwie auch nicht ganz falsch. Seit der Öffnung des Landes in der Meiji-Zeit hegt Japan eine besondere Faszination für andere Kulturen, die oft weit über bloßes Interesse hinausgeht. Wenn Japan in einer fremden Kultur etwas findet, das die Menschen fasziniert, wird ein Weg gefunden, dieses Element in die eigene Kultur zu integrieren – dabei jedoch stets die eigene Identität und Tradition zu wahren.

Das bedeutet allerdings auch, dass Deutschland keineswegs die „Nummer 1“ in Japan ist und nicht mehr oder weniger interessant erscheint als andere Länder und Kulturen. Was uns jedoch besonders verbindet, ist unsere gemeinsame Geschichte, die ein kleines bisschen mehr Nähe schafft.

Aber Japan liebt Deutschland

Ebenso wie viele Menschen aus Deutschland die faszinierende Insel Japan lieben und nach Tōkyō reisen, zieht es auch viele Menschen aus Japan nach Deutschland – naja, zumindest nach Bayern (kleiner Spaß). Neben München sind Berlin, das Schloss Neuschwanstein und der Kölner Dom besonders beliebte Reiseziele japanischer Touristen und werden millionenfach fotografiert. Tatsächlich ist Deutschland unter den europäischen Ländern einer der beliebtesten Reiseziele der japanischen Bevölkerung. Und dass in Düsseldorf mittlerweile so viele Japaner leben, dass zumindest dieser Stadtteil liebevoll „Little Tōkyō“ genannt wird, wissen sogar diejenigen, die noch nie in Deutschland waren.

Es überrascht daher kaum, dass in Japan der deutsche Baumkuchen – wenn auch geschmacklich leicht angepasst – an nahezu jeder Ecke zu finden ist. Mit den genauen Daten deutscher Feste nimmt es Japan allerdings nicht immer ganz so genau. Natürlich finden Oktoberfeste und Weihnachtsmärkte zur gleichen Zeit wie in Deutschland statt, doch kleinere Oktoberfeste lassen sich mit etwas Suche das ganze Jahr über entdecken – Bratwurst und Bier selbstverständlich inklusive.

Falls du während deiner Japan-Reise Heimweh nach Deutschland verspüren solltest, kannst du einfach nach Chiba reisen und den deutschen Themenpark besuchen. Dort erwarten dich Fachwerkhäuser, bunte Blumenfelder und – natürlich – ein Kirchturm. Auch auf deutsche Küche und Wein musst du nicht verzichten.

Wenn du dir absolut nicht vorstellen kannst, wie ein deutsches Fest in Japan aussieht, lade ich dich auf eine kleine Reise ein – von Deutschland nach, ähm … Deutschland in Japan!

Oktoberfest 2024 am Tōkyō Skytree

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