Eier & Hühner
Eier & Hühner

Eier & Hühner

Lesedauer 7 Minuten

Japan ist bekannt für seine vielfältige Esskultur, in der rohe Eier eine bedeutende Rolle spielen. Viele, die sich für Asien und die asiatische Küche interessieren, kennen sicherlich Gerichte aus Ländern wie den Philippinen, Vietnam oder Südkorea, die oft mit rohen Eiern serviert werden – ein bekanntes Beispiel ist das beliebte Bibimbap aus Südkorea. Doch auch in Japan sind rohe Eier ein fester Bestandteil vieler Speisen, etwa beim Gyudon oder dem traditionellen Frühstücksgericht Tamago Kake Gohan – was frei übersetzt „Ei über Reis“ bedeutet.

Heute war ich in einem Hypermarkt und habe mir Eier gekauft, die ich nach einem kurzen Spaziergang direkt zu Hause in die Pfanne gehauen habe. Dabei ist mir sofort aufgefallen, dass diese Eier im Vergleich zu denen aus Deutschland recht groß sind. Zudem scheint das Eigelb einen deutlich größeren Anteil am Ei zu haben. Ob dies der allgemeine Standard in Japan ist oder ob ich einfach nur Glück hatte – oder wie in Deutschland zwischen verschiedenen Ei-Größen wählen kann –, weiß ich (noch) nicht – beim nächsten Mal achte ich darauf.

Was mir neben dem Aussehen der Eier beim Zubereiten eines Spiegeleis besonders auffiel, war der Geruch – oder besser gesagt: der kaum vorhandene Geruch. In Deutschland riechen Eier oft sehr intensiv, dieser typische Eigeruch, vor dem sich manche sogar ekeln. Doch hier war es anders. Selbst beim Braten verbreitete sich nur ein leichter, angenehmer Duft. Ich will nicht behaupten, dass jemand, der jetzt zur Tür hereingekommen wäre, nicht sofort bemerkt hätte, dass ich Spiegeleier brate – aber der Geruch war deutlich milder und angenehmer, als ich es gewohnt bin.

Aus einem randlosen Toastbrot, das ich zusammen mit Schinken und Scheiblettenkäse im Supermarkt gekauft hatte, zauberte ich mir kurzerhand einen Strammen Max – irgendwie hatte ich heute Lust darauf. Mein finales Frühstück bestand schließlich aus einem Tsuna-Mayo-Onigiri, ein paar angebratenen Würstchen und eben diesem Strammen Max. Sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber darum geht es ja eigentlich nicht – sondern um die Eier.

Und genau diese Eier schmeckten zu meiner Überraschung… anders. Nicht unbedingt intensiver oder milder, sondern einfach anders. Ich kann es schwer in Worte fassen. Hätte man mir sie in einer Blindverkostung serviert, hätte ich natürlich sofort erkannt: Ja, das ist ein Ei. Natürlich! Es war ja auch ein Ei. Aber irgendetwas machte den Geschmack besonders. Vielleicht war es der Einfluss Japans selbst, das ich in den Himmel lobe? Vielleicht liegt es daran, dass die Hühner hier unter besseren Bedingungen leben? Schließlich werden Eier hier sogar roh gegessen – also müssen sie doch viel hochwertiger sein als die mit Antibiotika vollgepumpten Hühnerprodukte, die man aus Europa kennt… oder?

Zeit für Japan-Bashing

Ich seufz – mache das wirklich nicht gerne. Egal, wann ich auf diesem Blog ein wenig Japan-Bashing betreibe, für mich wird dieses Land immer das Nonplusultra bleiben. Doch ich will die Wahrheit wissen und die Realität ohne meine rosarote Japan-Brille betrachten. Und genau das habe ich wieder getan.

Überwältigt von dem absolut andersartigen Geschmack – was keinesfalls negativ gemeint ist – schnappte ich mir mein MacBook und begann zu recherchieren. Neben den üblichen Verdächtigen unter den Suchmaschinen habe ich diesmal auch einige KI-Modelle wie ChatGPT und Perplexity.ai zu diesem Thema befragt. Erstaunlicherweise deckten sich die Aussagen aller KI-Modelle nicht nur miteinander, sondern auch mit den Ergebnissen meiner eigenen Recherchen aus den „normalen“ Suchmaschinen.

Mit Sicherheit schwirrt dir, seit du „rohe Eier“ gelesen hast, das Wort Salmonellen im Kopf herum. Fangen wir also mit den positiven Nachrichten an. In Japan ist es üblich, Hühnerfarmen weit entfernt von anderen Betrieben und der Infrastruktur zu errichten. Natürlich muss man nicht stundenlang fahren, aber in der Regel beträgt der Abstand eines Betriebs zur nächsten Farm etwa 800 bis 1000 Meter und ca. 300 Meter bis zur nächsten Straße. Das ist Teil eines durchdachten Sicherheits- und Hygienekonzepts. Darüber hinaus werden Eier in Japan aufwendiger behandelt – oder sagen wir besser: intensiver gereinigt. Zwar werden Eier auch in Deutschland gewaschen, doch in Japan passiert dies nicht nur häufiger auf dem Weg vom Betrieb in den Supermarkt, sondern auch gründlicher. Nein, keine Sorge, niemand steht hier und schrubbt jedes Ei per Hand. Stattdessen sorgt eine ordentliche Portion Natriumhypochlorit – ein Mittel, das auch zur Papierbleiche verwendet wird – für eine keimfreie Schale, sodass unser Ei später aussieht, als wäre es wie aus dem Ei gepellt. (Okay, ich verspreche, keine schlechten Wortspiele mehr.)

Natürlich werden nicht alle Eier in Japan mit Chlorbleichlauge behandelt, und wenn doch, dann nur in verdünnter Form. Zudem ist diese Methode hier seltener im Einsatz als in manch anderen Ländern. Aber zurück zu den Salmonellen. Erst einmal: Sie kommen nicht aus dem Ei selbst, sondern gelangen – wenn überhaupt – von außen durch die Schale ins Innere. Genau deshalb werden Eier gewaschen und teilweise sogar desinfiziert, um Keime abzutöten. Der hohe Hygienestandard, die regelmäßigen Salmonellen-Kontrollen der Betriebe sowie die Tatsache, dass Eier hier viel schneller von der Farm in den Handel und letztlich auf unseren Teller kommen als etwa in Deutschland, minimieren das Risiko einer Verunreinigung erheblich. Zusätzlich gibt es spezialisierte Betriebe, die mit Überwachungssystemen und baulichen Maßnahmen verhindern, dass Vögel, Mäuse oder andere Tiere – und ja, auch Menschen – ungewollt Krankheitserreger in die Anlagen einschleppen. Kurz gesagt: Du kannst also bedenkenlos ein rohes Ei auf dein Essen klatschen oder, wenn du magst, es direkt aus der Schale löffeln.

Sugoi-chan

Übrigens hat es in Japan seit Jahrhunderten Tradition, rohes Eigelb zu essen. Nicht zuletzt deshalb gibt es hochmoderne Maschinen, die Eier bereits im Betrieb mehrfach überprüfen, waschen, erneut prüfen, wieder waschen, sortieren und so weiter. Der Verzehr von rohem Eigelb soll nicht nur die Verdauungsgesundheit fördern, sondern auch das Hautbild verbessern und das Haarwachstum anregen.

Bevor wir uns der dunklen Seite der Eier (sorry) widmen, gibt es noch eine weitere positive Überraschung: Auch das in Japan verwendete Futtermittel für die Hühner unterscheidet sich deutlich und beeinflusst maßgeblich den Geschmack der Eier. Neben kuriosen Varianten wie dem Yuzutama-Ei, das durch die Zugabe von Yuzu-Schalen im Hühnerfutter später eine süßlich-säuerliche Note erhält, werden die Hühner, die herkömmliche Eier legen, oft mit Reis statt mit Mais gefüttert. Zudem ist Fischmehl ein wesentlicher Bestandteil ihrer Nahrung.

Ei, Ei, Ei

Ich mache es kurz: Japan hat deutlich lockerere Regeln im Umgang mit Tieren. Legebatterien sind hier noch weit verbreitet, und das Tierwohl – zumindest bei Hühnern – steht nicht unbedingt an erster Stelle. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, aber die Regel ist nun mal, dass Tiere in erster Linie als Nahrungsmittel betrachtet werden.

Anders als in Deutschland macht sich hier kaum jemand Gedanken über Bio-Standards oder artgerechte Haltung. Projekte dieser Art sind in der Vergangenheit kläglich gescheitert, weil sie in der Bevölkerung einfach nicht auf Interesse gestoßen sind. Das Ergebnis? Möglichst viele Hühner auf engstem Raum und eine ordentliche Ladung Antibiotika – hurra.

Ich hätte an dieser Stelle wirklich gerne mein geliebtes Japan gelobt, aber… @!æ?xXz… – die Zahlen sprechen für sich. 95% aller Hühner tragen antibiotikaresistente Bakterien in sich, und japanisches Fleisch enthält durchschnittlich doppelt so viele Arzneimittelrückstände wie das in den USA. Wie gesagt, das ist der Durchschnitt – Ausnahmen gibt es natürlich immer.

Versteh mich nicht falsch, ich habe nicht erwartet, dass in einem Land mit 124 Millionen Einwohnern Hühner und andere Nutztiere auf riesigen, saftigen Wiesen herumlaufen. Aber dass Deutschland in diesem Punkt tatsächlich etwas besser macht – oder zumindest strengere Gesetze hat –, hat mich dann doch überrascht.

Ein kleiner Trost

Immerhin gibt es in Japan deutlich mehr kleine, familiengeführte Betriebe, die ihre Eier direkt an den Endverbraucher verkaufen. Diese Betriebe achten in der Regel stärker auf das Tierwohl und den verantwortungsvollen Einsatz von Medikamenten oder verzichten darauf. Ein weiterer Vorteil: Eier liegen im Supermarkt deutlich kürzer als in Deutschland, was sich sowohl auf die Frische als auch auf die Hygiene positiv auswirkt. Die kurzen Transportwege und die geringe „Liegedauer“ im Regal tragen dazu bei, dass japanische Eier nicht nur geschmacklich überzeugen, sondern auch besonders sicher sind.

Fazit

Rohe Eier – und natürlich auch das Fleisch – sind in Japan unfassbar lecker und vollkommen bedenkenlos essbar. Die dunkle Seite der Eier mag vielleicht erschreckend klingen, doch letztendlich unterscheidet sich die Situation hier nicht allzu sehr von der in Deutschland oder anderen Teilen der Welt.

Und wer angesichts der hohen Bevölkerungsdichte und der großen Eier-Nachfrage in Japan ernsthaft erwartet, dass Hühner hier im Schlaraffenland leben, der hat wohl doch noch die rosarote Japan-Brille auf.

5 Kommentare

  1. lilli

    Was ich an all Deinen Beiträgen so liebe ist die realistische und doch -trotzt der Liebe zu Japan, objektive Betrachtung all der Dinge, die Dich faszinieren und interessieren. Hier wird nichts verklärt und auch keine rosa Schleifchen um die Dinge gebunden, sondern „es ist wie es ist“ , dargestellt. Immer höchst informativ und wunderbar unterhaltsam geschrieben. Danke dafür.

  2. Norman

    Wieder mal eine interessante lesenswerte Geschichte von dir. Nach meinem Wissen ist Waschen von Eiern kontraproduktiv, da Eier eine natürliche Schutzschicht aufweisen. Diese kann dadurch zerstört werden. Was du aber sehr gut erkannt hast ist, das Futter was die Tiere aufnehmen, wirkt sich merklich auf das Ei selbst aus. Die Größe wird wohl mit der Zucht der Tiere zusammenhängen, diese ist anderes wie die europäischen Kollegen.

  3. Rebecca

    Auch wenn mich nun alle Grünen, Veganer, Tierliebhaber etc. bashen werden: lieber solche Eier (groß, geschmackvoll und sauber) als das, was man hier in Deutschland bekommt.
    Die Eier werden nicht nur immer teurer, sondern auch immer kleiner. Oft sind die Eier, die sich in den Pappkartons befinden, noch mit Dreck beschmiert oder es verirrt sich die eine oder andere Feder. Finde ich jetzt auch nicht so lecker.

    Werden die Eier in Japan im Supermarkt eigentlich gekühlt? In den meisten deutschen Discountern ist dies ja nicht der Fall.

    Alles in allem: Danke für diesen Einblick in die Welt der japanischen Eier 🙂

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