Die funkelnden Lichter der Stadt Tōkyō bei Nacht überdecken die kleinen, seltenen Schandflecken, die es natürlich auch hier gibt. Mit Tränen in den Augen sitze ich am Sumida River. Der Skytree Tower leuchtet weit hinter meinem Rücken, während mein Blick mit den sanften Wellen des Flusses in die Ferne fließt. Die Kälte der Nacht kriecht mir in die Knochen, doch die Wärme all der Erinnerungen, die ich gesammelt habe, hält mich fest umschlungen. Ich nehme einen Schluck aus meiner Bierdose und atme tief ein. Der Geschmack ist herb und zugleich beruhigend – als würde er die Realität ein Stück greifbarer machen. Es fühlt sich an, als würde die Stadt mit mir atmen – in einem Rhythmus, der mir trotz allem vertraut geworden ist.
Auch wenn diese letzte Etappe meiner Reise früher endet als geplant und nicht die schönste war, bleibt Sumida dennoch ein lohnenswertes Ziel. Vielleicht sind meine Batterien nach drei Monaten voller Abenteuer einfach leer. Jeden Tag neue Eindrücke, neue Orte – eine unaufhörliche Reise durch Japan, die mich berauscht und zugleich erschöpft hat. Es war eine wunderschöne Zeit, die mich an meine Grenzen brachte, die mich auf die Probe stellte und die mein Herz zum Überlaufen brachte. Und doch – wenn ich zurückblicke, bereue ich keinen einzigen Moment.
Diese Reise hat mich weit aus meiner Komfortzone katapultiert. Gleich zu Beginn eine Operation im Krankenhaus – und ich fühlte mich so verletzlich und verloren. Aber es gab Menschen, die mir halfen, Fremde, die mir Mut machten, als ich ihn selbst kaum noch fand. Ich habe neue Freunde gefunden – auch wenn es noch Zeit braucht, bis wir wirklich Freunde sind. Doch allein die Begegnungen, die Gespräche und die Momente voller Wärme und Herzlichkeit haben mich tief berührt. Es ist erstaunlich, wie viel Neues ich gelernt habe – nicht nur über Japan, sondern auch über mich selbst.
Ich habe Tōkyō von seiner strahlendsten und von seiner rauesten Seite erlebt. Japan ist nicht das perfekte, makellose Land – es gibt auch hier arme Gegenden, Müll auf offener Straße und Orte, die das Bild der makellosen Nation durchbrechen. Aber genau das ist es, was mir Japan so nah und so menschlich macht. Es ist nicht die Perfektion, die mich verzaubert hat, sondern die Lebendigkeit, die Widersprüche und die Momente, die mich zum Lachen und zum Weinen brachten. Trotz allem bleibt Japan meine große Liebe – eine Liebe, die nicht einfach in Worte zu fassen ist, weil sie so viele Facetten hat.
Das Leben in Japan ist anders, natürlich – das weiß jeder. Aber abseits davon folgt es einfach anderen Regeln, einem anderen Rhythmus, der mir aber nicht fremd war. Natürlich bin ich nun viel tiefer eingetaucht in dieses Land, und dennoch fühlte es sich für mich an, als sei ich schon immer hier gewesen. Ich mag die Höflichkeit, respektiere die Menschen und die Kultur hier, und dennoch kenne ich jetzt die raren Momente, an denen auch hier nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Ich habe hinter die Fassade Japans blicken dürfen – eine Fassade, die mir in Urlauben natürlich verwehrt blieb. Und ich liebe Japan mehr als jemals zuvor. Mir gefällt diese Welt, die ich entdeckt habe, auch wenn sie weit entfernt ist von dem perfekten Bild, das auch ich in meinen Urlauben hatte und natürlich mit nach Hause, nach Deutschland, gebracht habe. Und doch ist Japan um Welten perfekter als meine eigentliche Heimat. Aber gerade der Blick hinter diese scheinbar perfekte Welt, hinter die Fassade, hat meine Liebe noch größer gemacht. Denn es hat mir gezeigt, dass man hier leben kann – als Mensch.
Es tut weh, diese Reise abbrechen zu müssen. Es tut weh, den wahr gewordenen Traum nicht weiterträumen zu können, nur weil ich keine Wohnung gefunden habe. Die Erkenntnis trifft mich hart, dass selbst der größte Traum manchmal an der Realität zerbricht. Doch trotz allem bereue ich nichts. Jeder Moment hat sich in mein Herz gebrannt und ein Teil von mir wird immer hier bleiben – in den Straßen von Sumida, unter dem leuchtenden Skytree, entlang des Sumida Rivers, der mich mit seinen sanften Wellen umarmt.
Und obwohl das heute noch nicht das Ende ist und mir noch wenige Tage bleiben, fühlt es sich in diesem Moment an wie ein Abschied für immer. Doch ich weigere mich, diesen Traum loszulassen. Man sagt, man solle aufhören, wenn es am schönsten ist. Aber genau das mache ich nicht. Ich lasse diesen Traum nicht los, ich gebe nicht auf. Ich arbeite daran, wiederzukommen. Genau hierher, an diesen Ort. Ich werde all das noch einmal schaffen – und noch viel mehr.
Wenn ich zurückdenke an die vergangenen Tage, an mein Leben in den letzten Monaten, dann staune ich über mich selbst. Ich habe all das alleine geschafft. Ja, ich weiß, viele Menschen haben das auch geschafft – aber eben nicht jeder. Und ich bin einer von denen, die ihre Träume wahr gemacht haben, die ihre Ziele verfolgt haben und die Welt sehen wollen. Und jetzt wartet Taiwan, mein nächstes Ziel. Asien zu bereisen ist mein Traum, aber Japan wird immer ein Teil jeder Reise bleiben – mein Ankerpunkt, meine Liebe, mein Traumland. Und irgendwann… Ja, jetzt sage ich es noch einmal und meine es so: Ich möchte, dass Japan mein Zuhause wird. Ein Zuhause für immer.
Ich weiß jetzt, dass ich stark bin – selbst wenn ich am Boden liege. Ich habe mich 13.000 Kilometer von meiner eigentlichen Heimat entfernt durchgeschlagen, habe fast allen Widrigkeiten getrotzt und bin daran gewachsen. Diese Reise hat mir gezeigt, dass ich nicht nur träumen kann, sondern auch die Stärke habe, diese Träume in die Realität zu holen. Es ist nicht nur das Ziel, das zählt, sondern der Weg, die Erfahrungen, die Menschen und die Momente, die mich geformt haben.
Wieder einmal weiß ich, dass ich mich erst jetzt wirklich neu kennengelernt habe. Ich liebe Tōkyō – diese glitzernde, pulsierende Stadt, die niemals schläft. Doch ich habe erkannt, dass mein wahres Zuhause in Japan nicht hier ist, sondern draußen auf dem Land. In den kleinen Städten und Dörfern, wo die Welt noch langsamer atmet und die Menschen dich mit einem Lächeln begrüßen. Wo die alten, verlassenen Häuser aus vergangenen Zeiten stehen, in denen die Uhr aufgehört hat zu ticken und die Zeit stillzustehen scheint. Es sind die Flüsse, entlang derer ich Schreine und Tempel entdeckt habe. Es sind die Begegnungen mit Fremden, die zusammen mit mir gelacht haben. Die magischen Momente, die sich nicht in Worte fassen lassen. Ich war an Orten, an denen ich etwas gespürt habe – ein Gefühl, das nicht von dieser Welt zu sein scheint, das sich tief in mir ausgebreitet hat und mich mit Wärme erfüllt hat. Ein Gefühl, das mir sagt: Genau hier sollte ich sein.
Diese Reise war nicht nur eine Reise an das andere Ende der Welt, sondern vor allem eine Reise zu mir selbst.
Ich mach’s kurz: Stark!
Deine Worte berühren mich wie so oft tief. Man spürt in jedem Satz deine unumstößliche Liebe zu Japan, die Freude über all die Erlebnisse – aber auch den Schmerz des Abschieds. Es ist beeindruckend, wie du nicht nur das Land, sondern auch dich selbst in dieser Reise neu entdeckt hast.
Besonders berührt hat mich dein unerschütterlicher Wille, zurückzukehren – nicht nur als Besucher, sondern um wirklich in Japan zu leben. Träume sind zerbrechlich, aber du zeigst, dass sie es wert sind, gelebt und weiterverfolgt zu werden. Ich bewundere dich einmal mehr für deinen Mut und deine Entschlossenheit.
Auch wenn diese Etappe jetzt endet, klingt in deinen Worten eine Gewissheit mit: Das ist nicht das Ende. Und ich glaube fest daran, dass du deinen Weg finden wirst – zurück nach Japan und noch weit darüber hinaus.
Aber ich freue mich wie Bolle, wenn du wieder da bist 🤗