In Japan erfreut sich jeder – ganz gleich ob Einheimischer oder Tourist – an der Sakura, also den Kirschblüten. Und wer an Japan denkt, denkt zwangsläufig an Sushi, Ramen, den Fuji und natürlich an Kirschblüten. Die Kirschblüten scheinen allgegenwärtig zu sein und werden, wie so vieles andere, geradezu romantisiert – und keine Frage, sie sind wunderschön und romantisch.
Aber…
Ein einziger Blick auf oder in den japanischen Reisepass genügt, um zu erkennen, dass die Sakura wohl eher nicht „die Blume Japans“ ist. Es ist natürlich die Kiku (キク) – die Chrysantheme – die nicht nur das Symbol, also das „imperiale Zeichen“ des Tenno ist, sondern auch unzählige Regierungsgebäude im In- und Ausland, etwa Botschaften, ziert. Und sogar auf der 50-Yen-Münze ist diese Blume zu finden. Wenn du genau darauf achtest, wirst du die Chrysantheme in Japan erstaunlich oft entdecken.
Die Chrysantheme
Diese eigentlich recht unscheinbare Blume steht in Japan traditionell für Unsterblichkeit oder – gebräuchlicher – für ein „langes Leben“ sowie für Vollkommenheit, da sie noch blüht, wenn andere Blumen bereits verwelkt sind, und sogar harte Winter übersteht. So symbolisiert sie neben einem langen Leben auch Gesundheit und Schutz vor Unheil und Bösem. Besonders die gelbe Chrysantheme steht für Energie, Licht und vor allem Freude. Zudem – und das liegt, ebenso wie Schönheit selbst, im Auge des Betrachters – verströmt die Chrysantheme einen herrlichen Duft.
Im Allgemeinen repräsentiert die Chrysantheme auch den Herbst und – zumindest in der Geschichte Japans – die edlen Menschen, also die Adligen, was möglicherweise erklärt, warum die gelbe Chrysantheme das Symbol der kaiserlichen Familie ist: das sogenannte Kiku no Gomon (菊の御紋). Es handelt sich dabei um eine stilisierte Darstellung der Blume mit exakt 16 Blütenblättern.
Und obwohl die Chrysantheme nicht die offizielle Nationalblume Japans ist – denn eine solche gibt es gar nicht –, wird sie dennoch oft als die Nationalblume angesehen und entsprechend behandelt. Sie ziert unter anderem das Staatswappen Japans, und auch auf den Uniformen der Polizei sieht man die gelbe Chrysantheme stets leuchten.
Die japanische Regierung verwendet allerdings keine Chrysantheme als Symbol, sondern eine Paulownienblüte. Diese wird als Symbol des japanischen Premierministers und Kabinetts angesehen.
Das nationale und kaiserliche Siegel
Das kaiserliche Chrysanthemen-Siegel – und Staatswappen – ist auch an vielen Schreinen zu finden, unter anderem am Yasukuni-Schrein und an einem kleinen Shinto-Schrein im Tōkyō-Tower.


Eine Reise
Und wie schon in vielen Beiträgen zuvor, machen wir wieder einen kleinen Ausflug in die Vergangenheit. Das Kiku no Gomon mit exakt 16 Blütenblättern ist einzig und allein dem Tennō vorbehalten. Jedes andere Mitglied des kaiserlichen Hauses zeigt die Chrysantheme mit lediglich 14 Blütenblättern. Das symbolisiert zum einen die edle Einzigartigkeit des Kaisers, und zum anderen gibt es – wie so oft – viele verschiedene Erklärungen für die Zahl 16.
Weitere detaillierte Informationen findest du im Japanese Wiki und auf History JP.
So wird im Shintōismus eine Verbindung zur Sonnengöttin Amaterasu hergestellt (die du sicherlich schon in meinem vorherigen Beitrag kennengelernt hast). Die 16 Blütenblätter stehen für die Sonnenstrahlen, während die darunterliegenden Blätter das Licht symbolisieren, das sich unaufhörlich weiter ausbreitet.
Auf unserer Reise in die Vergangenheit landen wir schließlich wieder in der Heian-Zeit (794–1185). Unter Kaiser Go-Toba (1180–1239) wurde die 16-blättrige Chrysantheme offiziell als Symbol des Kaiserhauses eingeführt. Viele Jahrhunderte später, unter Kaiser Meiji (1868–1912), wurde das Chrysanthemen-Siegel in der Meiji-Verfassung dann gesetzlich als exklusives Symbol der kaiserlichen Familie festgelegt. Die Fälschung oder missbräuchliche Verwendung des Chrysanthemen-Siegels wird gemäß § 154 des japanischen Strafgesetzbuches mit lebenslanger Haft bestraft.
Versuchen wir zum Abschluss unserer Reise noch zu klären, warum es genau 16 Blütenblätter sind. Das ist – wie so oft – gar nicht so einfach und vor allem nicht genau zu sagen. Einige Quellen behaupten, dass die Zahl 16 in der japanischen Kosmologie und Zahlensymbolik eine besondere Bedeutung hat. Mir selbst ist allerdings – auch nach eingehender Recherche – keine spezifische symbolische Bedeutung der Zahl 16 in Japan bekannt.
Eine besondere Blume
Die Chrysantheme ist von so hoher Bedeutung für Japan, dass sie sogar einen eigenen Feiertag bekommen hat. Am 9. September wird in Japan das Chrysanthemenfest – Kiku no Sekku (菊の節句) gefeiert. Es ist allerdings kein echter Feiertag – gearbeitet wird trotzdem, wie immer in Japan. Und so wirklich gefeiert wird nach der Arbeit auch nicht. Kaum jemand ehrt diesen Tag noch bewusst. Sagen wir es so: Es ist in etwa wie der Buß- und Bettag in Deutschland – ein geschichtliches Überbleibsel.

Die Chrysantheme zählt übrigens zusammen mit Bambus, Pflaume und der Orchidee zu den „Vier Edlen“ (四君子, Shikunshi). Die, auch als „Vier Edle Herren“ bekannten vier Pflanzen, haben eine besondere symbolische Bedeutung. Die Chrysantheme steht für Ausdauer, Mut und ein langes Leben, während der Bambus Standhaftigkeit und Flexibilität repräsentiert. Die Pflaumenblüte hingegen steht für einen reinen Geist, und die Orchidee für weibliche Schönheit und männlichen Ruhm.
Die Japanische Chrysantheme
Die Nipponanthemum nipponicum – so der botanische und wissenschaftliche Name – wird auch gerne als Nippon-Gänseblümchen oder Japan-Margerite bezeichnet. Mit einem Durchmesser von bis zu 8cm ist sie ein wirklich großes „Gänseblümchen“.
Der japanische Name lautet Hamagiku (浜菊, はまぎく), was wörtlich übersetzt „Strand-Chrysantheme“ bedeutet. Dieser Name verweist auf ihren natürlichen Ursprung an der Küste Japans, den Kurilen und Kamtschatka. Früher wurde Nipponanthemum nipponicum der Gattung der Chrysanthemen zugeordnet, weshalb sie heute auch als Japanische Chrysantheme bekannt ist.
Die Kurilen werden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs offiziell von Russland verwaltet. Sie verbinden wie eine Inselkette die russische Halbinsel Kamtschatka mit der japanischen Insel Hokkaidō. Seit mehreren Jahrzehnten besteht über diese Inselgruppe ein Territorialstreit zwischen Japan und Russland – der sogenannte Kurilenkonflikt, da Japan weiterhin Ansprüche auf Teile der Inselkette erhebt.
WOW; DAS IST ALLES MEGAAUFSCHLUSSREICH; DANKE DAFÜR GINO. Ich werde weiterhin hie hineinschauen um informiert zu bleiben. So klasse und prägnante Infos. Mal ganz was anderes als in den gängigen Japan-Artikeln.