Es ist schon irgendwie unbeschreiblich, nach all der Zeit wirklich jeden Abend in Kawagoe einzuschlafen und jeden Morgen hier wieder aufzuwachen. Mein derzeitiges Leben fühlt sich absolut unwirklich an – ich kann es einfach nicht glauben, meinen Traum zu leben. Natürlich ist hier nicht alles so perfekt und wundervoll, wie ich es selbst gern durch meine japanrote Brille sehen möchte.
Ich habe noch nie Japan im Winter erlebt – und auch wenn es hier aktuell keinen Schnee gibt und die Sonne tagsüber bis zu 14 Grad warme Lichtstrahlen nach mir wirft, sind die Nächte furchtbar kalt. Meine Wohnung hat keine besonders modernen Fenster, und auch die Wände und Türen sind kaum gedämmt. Ohne den Heizstrahler kann ich mir im Bett beim Atmen zuschauen. Zugegeben, irgendwie bin ich selbst schuld daran: Es ist nicht so, dass ich keine Klimaanlage hätte, aber das laute Geräusch des Gebläses stört mich. Also bleibt sie aus. Und mehr als 16, höchstens 18 Grad mag ich sowieso nicht. Eigentlich perfekt – bis auf die kalte Nasenspitze am Morgen und die Feuchtigkeit. Aber das alles wusste ich schon vorher. In Japan kämpft man zu jeder Jahreszeit mit der Feuchtigkeit in den Wohnungen: Im Winter kondensieren literweise Wasser an den Fenstern, und im Sommer sowie während der Taifunzeit ist die Luftfeuchtigkeit am absoluten Maximum. Einmal blinzeln – und schon ist man nass geschwitzt. Und dennoch…
Ich liebe alles hier
Ich wohne direkt neben einem Schrein, und bis nach Little Edo sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Jeden Tag um 16 Uhr ertönt eine wundervolle Melodie, die stadtweit fast eine ganze Minute lang zu hören ist. Alles hier ist irgendwie ein bisschen süßer als anderswo, heimeliger, ruhiger. Ich spaziere fast täglich am Shingashi-Fluss entlang und habe schon meine Lieblingsplätze gefunden, an denen ich einfach nur existiere, die Stille in mich aufsauge und mich von den Sonnenstrahlen wärmen lasse, während zu meinen Füßen der Fluss leise plätschert. Die Orte entlang des Shingashi, die vielen Brücken, die seinen Lauf queren, und die unzähligen kleinen Straßen, Abbiegungen und Schreine, die ihn säumen, sind wunderschön.













Selbstverständlich war ich auch im Touristen-Hotspot Nummer eins: Little Edo. Am Feiertag Seijin no Hi (成人の日) lief ich früh morgens durch die Gassen – zu früh, wie sich herausstellte. Mein Plan, in aller Ruhe einen Kaffee zu genießen, scheiterte, denn noch war alles geschlossen. So wurde es nur ein Kaffee aus einem der unzähligen Automaten, den ich auf einer kleinen Holzbank mitten auf der alten Händlerstraße genoss. Ein paar Souvenirgeschäfte später, an deren verschlossenen Türen ich mir sehnsüchtig die Nase platt drückte, stolperte ich in die Sweet Alley.
Yes! – dachte ich mir, doch auch hier war noch alles verschlossen, auch wenn aus einigen Fensterläden bereits süßriechender Rauch entwich.
Kashiya Yokocho
Am nächsten Tag zog ich erneut los, besuchte zunächst den Hikawa-Schrein, der entlang des Shingashi Flusses liegt und dessen Eingang von einem der größten aus Holz gefertigten Torii Japans gesäumt wird. Das Torii ist stolze 15m hoch. Ich badete, wie jeden Tag, an meinen Lieblingsplätzen in der Sonne, bevor ich gegen Mittag zur Kashiya Yokocho aufbrach.














Das ist eine kleine Einkaufsstraße, in der sich alles nur um Süßigkeiten dreht. Egal, an welchem Haus, vor welcher Tür oder vor welchem Fenster man stehen bleibt, es strömt einem unaufhörlich der Duft süßer Speisen und Getränke in die Nase: kandierter warmer Zucker, frittierte Süßkartoffeln, Milchkaffee und Matcha Latte. Danach ein lilafarbenes Ube-Eis oder doch lieber ein Melonpan, gefüllt mit Vanilleeis?








Die Kashiya Yokocho lässt jedes Kinderherz höher schlagen, und auch wenn du kein Kind mehr bist, wirst du hier sicherlich süß strahlen vor Freude.