In Japan sind die Bahnhöfe der lokalen Metro und natürlich auch die der Shinkansen ein absolutes Highlight jeder Japan-Reise. Ich kann mich gar nicht sattsehen an den beeindruckenden Bahnhofshallen, den unzähligen Einkaufsstraßen und dem urbanen Stil, der jeden Bahnhof umgibt – ich liebe es einfach. Aber Bahnhöfe in Japan bieten nicht nur etwas fürs Auge, sondern auch für die Ohren!
Japan und seine Bahnhofsmelodien
Warum überhaupt?
Eine gute Frage, und wie so oft schreibe ich jetzt: Es geht zurück in die Vergangenheit – ein Hauch von Bahnhofsromantik aus den frühen 70er Jahren. Jeder kennt vermutlich die Bilder: Männer mit weißen Handschuhen, die die letzten eilenden Menschen in überfüllte Züge drücken, während die aufgeschlagene Tageszeitung gerade noch hinter den sich schließenden Türen verschwindet. In der Hektik des Berufsverkehrs, getrieben von Japans Ruf nach Perfektion und Pünktlichkeit, waren die Züge damals zur Rush Hour noch voller als heute.
Um ein wenig Ruhe in dieses Treiben zu bringen, führten die bereits privatisierten Bahngesellschaften – etwa die Tōbu Railway Company, Ltd. (東武鉄道株式会社, Tōbu Tetsudō) oder die Keihan Electric Railway Company, Ltd. (京阪電気鉄道株式会社, Keihan Denki Tetsudō Kabushiki-gaisha) – Musik an den Bahnhöfen ein. Diese Melodien sollten nicht nur das Chaos mildern, sondern auch das Stresslevel senken und schlafende Passagiere sanft wecken.
Privatisierung
Die ehemals staatliche Eisenbahngesellschaft Japanese National Railways (JNR), heute bekannt als Japanische Staatsbahn (JR), wurde am 1. April 1987 privatisiert und in neun Teilgesellschaften aufgespalten. Mit der Privatisierung der JR-Bahnlinien setzten sich die Melodien an den Bahnhöfen immer weiter durch. In den frühen 90ern erlebten diese sogenannten „Jingles“ dann ihren Durchbruch, und nach und nach erhielten immer mehr Bahnhöfe ihre eigenen musikalischen Kennzeichen.
Bis heute sind diese Melodien beliebt – nicht nur bei den Japanern selbst, sondern auch bei internationalen Besuchern. Der weltweite Hype um die japanischen Züge spiegelt sich längst in Merchandising-Artikeln wider. Es gibt sogar Schlüsselanhänger mit den Lieblings-Jingles einzelner Bahnhöfe zu kaufen.
Jetzt wird’s wild
Mittlerweile weiß jeder: Sobald eine Melodie am Bahnsteig ertönt, ist es höchste Zeit einzusteigen, denn direkt nach dem Ende der Melodie schließen sich die Türen der Wagons. Eine der beliebtesten Melodien ist „Twilight“ – sie erklingt an der Yamanote-Linie in Shinjuku. Die Melodie wird von Sekunde zu Sekunde schneller und vermittelt so subtil, dass es Zeit wird, sich zu beeilen.
Einige Bahnhöfe haben berühmte Melodien, andere greifen zu Anime-Openings als Jingles. Und dann gibt es Bahnhöfe, die das Ganze noch toppen – mit Disney-Melodien! Ja, du hast richtig gelesen: Die Tokyu Corporation hat in Kooperation mit Disney an ausgewählten Bahnhöfen Melodien aus Disney-Filmen eingeführt.
Auch die Metro – also die U-Bahn in Japan – setzt auf eigene Jingles. Über 110 dieser Melodien wurden von Musikproduzent Minoru Mukaiya speziell dafür komponiert.
Wer ein paar Tage in Japan verbringt, sollte am Bahnhof unbedingt einmal genau hinhören. Laut sollte man sich an japanischen Bahnhöfen oder in den Zügen allerdings sowieso nicht verhalten. Von moderner, hochwertiger Klangqualität bis hin zum charmantem 8-Bit-Sound ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Eine meiner persönlichen Lieblingsmelodien ist die des Bahnhofs Ōtemachi – hör doch einfach mal rein!
Bahnhofsmelodien
Zugeinfahrt im Bahnhof
Die Bahnhofssperre
In Japan findet man an fast jedem Bahnhof die Kaisatsuguchi (改札口), also die Bahnhofssperren oder Ein- und Auslasskontrollen. Diese Schleusen ermöglichen den Zugang, indem man beispielsweise seine IC-Karte, wie etwa die Suica, oder ein Smartphone mit entsprechender App vor das Lesegerät hält. Auch gekaufte Papiertickets werden an den Bahnhofssperren „entwertet“.
Nach erfolgreicher Überprüfung öffnet sich entweder die Sperre, oder – falls das Ticket oder die IC-Karte ungültig ist – bleibt sie geschlossen. Häufig sind die Sperren bereits geöffnet, um den Ein- und Auslass zu erleichtern, und schließen sich nur wenn ein Ticket ungültig ist. Denn die meisten Reisenden besitzen ein gültiges Ticket, und das ständige Öffnen und Schließen der Türen würde bei großen Menschenmengen zu Verzögerungen führen.
Verweise
Die im Beitragsbild verwendeten Logos stammen von Wikipedia.
JR Logo
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:JR_logo_%28east%29.svg
Metro Logo
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Tokyo_Metro_logo.svg
Videos
Gino Dola