Japan 2018 – Reisebericht Teil 3
Japan 2018 – Reisebericht Teil 3

Japan 2018 – Reisebericht Teil 3

Lesedauer 5 Minuten

04:30 Uhr, Kamiikebukuro, 3. Stock.

Draußen auf dem Balkon herrschen 38,7 Grad, drinnen hält die Klimaanlage mit 18 Grad meinen besten Freund noch ein wenig frisch, während er friedlich auf dem Futon schläft. Ich nehme mir mein eiskaltes Asahi-Dosenbier und weine einfach vor mich hin – vor Freude. Vor meinen Augen ziehen Wolken dahin. Ich blicke nach rechts: tiefe Nacht. Dann schwenke ich nach links: der Sonnenaufgang! Das ist einer dieser Momente, die ich nie vergessen werde. Ich bin einfach ich, wunschlos glücklich und erfüllt von einer Leichtigkeit, die ich nie zuvor gespürt habe. Mein Wunsch ist wahr geworden, und langsam beginne ich, das auch zu realisieren. Ich bin fast 10.000 Kilometer von zu Hause entfernt, habe mein Auto, meine Wohnung und alles andere gegen eine 15 m²-Wohnung eingetauscht. Im Bad schaffe ich es gerade so, mich um die eigene Achse zu drehen, und unter der Dusche streife ich beinahe die Decke – perfekt, um hier Lampen zu installieren, denke ich mir und halte mir die Brause ins Gesicht. Warmes, chlorhaltiges Wasser umspült meine Nase. Mehr brauche ich nicht, denke ich, und lasse meine Gedanken schweifen. Wozu all die Wertgegenstände daheim, wozu das große Auto, die vielen Räume, die man eher putzt als nutzt? Wieder zwingt mich dieses Land, mein Leben zu überdenken. Es zeigt mir mit kleinen, unscheinbaren Dingen, worauf es im Leben wirklich ankommt. Luxus ist zwar verlockend, aber nicht notwendig.

Bis heute denke ich darüber nach, all diesen Luxusballast loszuwerden. Okay, meine Autoliebe wird immer bestehen, aber bei der Wohnung kann ich definitiv kürzertreten. Alles wird japanischer, gesonnener. Sumimasen 🙂 Genug von meinem Leben.

Nachtrag 2024 – alles ist kleiner geworden, alles ist japanischer geworden – wortwörtlich. In wenigen Wochen, im Januar 2025, ziehe ich nach Japan. Du möchtest mehr erfahren? Hier gibt’s mehr zu In Japan & ab hier fängt der Abenteuer-Blog an.

08:00 Uhr – Wir leeren mal wieder einen Getränkeautomaten und starten den Tag mit Clear Cola und GunGunGurt. Für uns „Fitnessbomben“ (Ironie aus) sind die 39,8 Grad kein Problem. Wir stürmen einen Konbini und kaufen alles, was irgendwie nach großem Tuch aussieht, damit wir nicht mit Handtüchern durch die Gegend laufen müssen. Das Problem der Hitze scheint bekannt zu sein, aber die Menge an Schweißtüchern, die wir kaufen, eher weniger. Zugegeben, wir haben lange gespart und geben jetzt viel Geld aus, aber das war auch das erklärte Ziel für diesen Urlaub, der uns fast zwei Jahre lang das Sparen beigebracht hat. Für die Einheimischen muss es jedoch so gewirkt haben, als hätten wir die Kontrolle über unser Leben komplett verloren. Kein Besuch im Konbini war unter 50 Euro – wir werden noch in diesem Urlaub einen Melonenbrotschock und eine Sushivergiftung erleiden, da sind wir uns einig. Aber Dangos und Spieße aus Japanese Beef haben wir noch nicht probiert – aber dazu später mehr. Etwas runder als vorher laufen wir zur Mito-Line und, als hätten wir nie etwas anderes getan, finden wir den Weg zum Asakusa Schrein. Endlich Japan – schießt es mir durch den Kopf. Genau das war es, was ich mir unter Japan vorgestellt habe. Zwischen all der gigantischen Moderne plötzlich ein rotes Torii. Mit offenem Mund stehe ich vor dem ersten Torii meines Lebens und bestaune es.

Manchen Dingen schenke ich vielleicht etwas zu viel Aufmerksamkeit – ähnlich fasziniert bestaune ich auch Strommasten oder einfach die Straßen Japans. Am liebsten würde ich jeden Quadratzentimeter fotografieren, berühren – ja, am liebsten mitnehmen. Ja, natürlich – es ist passiert – ich denke es und spreche es laut aus: Ich würde gern hier leben und genau das tu ich auch ab Januar 2025.

Mein Grinsen wird immer breiter, während meine Beine, ganz ohne mein Zutun, durch das Torii laufen und mich in einer Einkaufsstraße wiederfinden, die mich wie ein Trichter immer tiefer in Richtung Schrein zieht. Geht man einfach so durch ein Torii hindurch?, fragt sich eine meiner Hirnhälften, während die andere 1000-Yen-Scheine zückt und unnötig viele Katzenglöckchen kauft. Ich wollte mich umdrehen und beobachten, wie die anderen Menschen durch das Tor laufen, doch mein Blick wird getrübt von bunten Kugeln aus Reis und einem Regenschirm mit Katzenohren – meine Güte, wie lange habe ich schon darauf gewartet? Gefunden, gekauft, glücklich – die drei G’s meines Urlaubs in Japan. Ich lasse den Regenschirm bei mittlerweile 41 Grad und strahlend blauem Himmel aufschnappen, ziehe ihn wieder zu, und mein Blick trifft durch eine Häuserschlucht hindurch auf den Skytree Tower… Da ist er wieder, mein Turm 🙂 Mein Freund rollt die Augen, schiebt mir einen Dango in den Mund und murmelt: „Saugeil, iss schnell, man isst hier nicht auf der Straße.“ Ich versuche, die Riesenkugel zu essen, während ich mir vor Lachen auf die Lippen beiße, um nicht als Reiskanone ins Gefängnis zu kommen. Ich schätze, die Einkaufsstraße vor dem Schrein ist vielleicht 1000 m lang – wahrscheinlich kürzer. Nun ja, XY-Chromosomen und die Sache mit der Länge… Jedenfalls schaffen wir es nicht, unter 1,5 Stunden durch diese Straße zu gehen. Wir schauen an jeder Bude, probieren alles, was essbar aussieht, und kaufen bis die Möglichkeiten, es zu verstauen, knapp werden. Mittlerweile sind wir von einer Menschenflut umgeben – dieser Schrein zieht sowohl Einheimische als auch Besucher Japans magisch an. Zugegeben, ich hatte mir aufgrund vieler Animes einen Schrein etwas „magischer“ vorgestellt, vor allem ruhiger. Aber bei den meisten wird das wohl auch der Fall sein. Asakusa wirkt mehr wie ein Touristen-Schrein – leider. Nicht zuletzt verstörten mich die Getränkeautomaten direkt auf dem großen Platz vor dem Schrein. Dennoch befriedigte ich meine Sucht und trank den dritten Liter GunGunGurt. Ich bin mir nun sicher, dass ich eher an einer probiotischen Vergiftung in Japan sterben werde als an Melonenbrötchen. Der buddhistische Schrein ist gigantisch – jedenfalls habe ich noch keinen größeren gesehen, was bei meinem ersten Schreinbesuch auch keine Kunst ist.

Plötzlich wird mir grün vor Augen! Mir ist nicht schlecht, im Gegenteil… ich sauge den kalten Matcha Latte, den mir mein Freund vor die Nase hält, in einer rasenden Geschwindigkeit leer und bete, dass der Hirnfrost ausbleibt. Fehlanzeige. Innerlich bin ich erfroren, äußerlich haben es einige Einheimische bemerkt und lächeln mich an. Ich stottere ein „oishii“ in die Freiheit und bekomme ein zustimmendes Nicken von den neben mir stehenden Japanern. Nur ein Augenzwinkern später stupst mich ein älterer Herr an, verneigt sich und scheint zu wissen, dass ich kein Wort verstehen werde, wenn er mit mir spricht. Er versucht es erst gar nicht, sondern zeigt mit einem warmen Lächeln auf meine Kamera, streckt mir die Hand entgegen und führt mich zu einer Position, an der ich sofort verstehe, was hier vor sich geht. Ich bedanke mich, doch der nette Herr lächelt nur stumm. Ich breite das Stativ aus und der Herr neben mir gibt mir zu verstehen, dass er mir helfen möchte. Ich willige ein und er richtet meine Kamera aus, dreht hier und da einen Knopf. Wir verständigen uns wortlos oder mit Japenglisch. Die Fotos werden genial und später erfahre ich, dass Herr Fukuda Fotograf ist. Zufrieden starren wir auf den Bildschirm der Kamera und dann trennen sich unsere Wege. Wieder bin ich total verblüfft und verstaue diese Erfahrung in der Hirnregion „niemals vergessen“…

Bis bald, Japan!

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