In 74 Tagen ist es endlich soweit – mein Traum wird wahr: Ich ziehe nach Japan. Das größte Abenteuer, ja sogar das größte Wagnis meines Lebens beginnt, und ich kann es, wenn ich ehrlich bin, selbst kaum glauben. Nach all den Monaten der Planung, Recherche und Vorbereitung, nach unzähligen Gesprächen mit Freunden, meiner Familie und natürlich meinem Arbeitgeber habe ich Anfang dieser Woche die Flüge gebucht.
Die Flüg-eee?
Ja – leider ist es kein One-Way-Ticket, denn mein Abenteuer ist vorerst zeitlich begrenzt. Derzeit besitze ich kein Visum, das mir einen Langzeitaufenthalt ermöglicht. Auch das Arbeiten in Japan selbst (für einen japanischen Arbeitgeber) ist mit meinem derzeitigen Visum nicht erlaubt. Davon abgesehen ist mein Japanisch noch nicht wirklich gut. Es reicht für den Alltag – um einkaufen zu gehen, nach dem Weg zu fragen und um die einfachen Dinge zu bewältigen. Von meiner Zeit in Japan verspreche ich mir allerdings viel, was meine Sprachkenntnisse betrifft. Es ist deutlich einfacher und effektiver, wenn man von der Sprache, die man lernt, auch umgeben ist und mehr oder weniger darauf angewiesen ist, sie zu sprechen. Irgendwann in ferner, ferner Zukunft ist es mein Ziel, die japanische Staatsangehörigkeit zu erlangen und dauerhaft in Japan zu leben und zu arbeiten. Bis dahin freue ich mich auf dieses und vielleicht weitere Abenteuer in Japan und darf zeitlich begrenzt remote für meinen Arbeitgeber in Deutschland arbeiten. Als Software-Entwickler lässt sich das gut umsetzen, und es eröffnet mir diese großartige Möglichkeit. So begann vor knapp zwei Jahren die Idee in meinem Kopf zu keimen, für einige Monate nach Japan auszuwandern. Mein aktuelles Leben lässt das zu, ich bin ungebunden, und die einzigen Verpflichtungen (von meiner Arbeit mal abgesehen, die kann ich ja quasi mitnehmen) habe ich nur vor mir selbst. Warum also nicht ein verrücktes Abenteuer starten?, dachte ich mir und machte mich direkt an die Recherche: Geht das überhaupt? Wie lange darf ich in Japan bleiben? Darf ich remote aus Japan arbeiten? Was mache ich mit meiner Wohnung und meinem Auto in Deutschland? Und wie viel wird mich mein Abenteuer kosten? Fragen über Fragen, die, anders als erwartet, Woche für Woche komplizierter wurden. Wann immer ich eine Frage beantwortet hatte, tauchten drei neue auf. Es folgten E-Mails und Telefonate mit der japanischen Botschaft, der Austausch mit anderen „Auswanderern“ und unzählige Dokumentationen und Berichte, die ich in mir aufsog.
Anfang 2024 war ich dann in meinen Vorbereitungen so weit, dass ich mich bereit fühlte, mit meinem Vorhaben „an die Öffentlichkeit“ zu gehen. Freunde und Familie ahnten es ohnehin schon, und auch auf der Arbeit gab es bereits den ein oder anderen Flurfunk. Dennoch stand mir ein persönlich schwieriger Schritt bevor: Ohne die Unterstützung meines Arbeitgebers wäre das ganze Abenteuer gescheitert, noch bevor es richtig begonnen hatte. Nächtelang lag ich wach und überlegte, wie ich meinem Arbeitgeber von meinem Plan erzähle – immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass die normalste Reaktion eines Arbeitgebers wohl eine vernichtende Absage sein würde, wenn ein Arbeitnehmer mal eben an das andere Ende der Welt ziehen möchte. Eine Reaktion, die ich ehrlich gesagt auch voll und ganz nachvollziehen könnte. Doch es kam anders!
Ich hielt es einfach nicht mehr aus und wusste: Der richtige Moment, meinem Arbeitgeber von meinem Traum zu erzählen, würde nie kommen. Denn der richtige Moment war genau jetzt. Also platzte ich mehr oder weniger spontan in das Büro meiner Vorgesetzten und sprudelete direkt los. Mein nur wenige Sekunden dauernder Vortrag über den größten Wunsch meines Lebens war beendet, und ich erwartete – meinen gesamten Körper schon auf Enttäuschung programmiert – die logische Absage. Doch die Antwort war ebenso kurz wie mein Vortrag: „Viel Spaß, hau ab nach Japan.“
Etwas fassungslos wartete ich ab, wartete die Worte, auf die ich mich mental vorbereitet hatte. Doch das Thema, das mich wochenlang nachts wachgehalten hatte, war geklärt. Natürlich folgten in den nächsten Wochen und Monaten noch einige Gespräche und Absprachen zu Ablauf, Arbeitsorganisation und den genauen Bedingungen – doch im Großen und Ganzen hatte ich tatsächlich von allen Seiten grünes Licht. Die nächsten Monate verbrachte ich mit der Konkretisierung meines Abenteuer-Plans, verkaufte mein Auto, mietete meine Wohnungen in Japan, schloss Versicherungen ab und buchte letztendlich auch die Flugtickets. Jetzt heißt es warten – 74 lange Tage warten.
Was soll ich sagen? Geiler Arbeitgeber! Da ich hier keine Namen nennen darf und möchte, falls die Menschen um die es hier geht, diese Zeilen lesen: Vielen Dank von Herzen, dass ihr diesen Weg nicht nur ermöglicht habt sondern ihn mit mir zusammen geht!
Was plant man 2 Jahre lang…?
So seltsam es klingen mag: Zuerst sollte man sich klarmachen, ob man ein solches Wagnis wirklich eingehen möchte. So spannend und aufregend es auch sein mag und so sehr ich Japan liebe und bisher jeden Urlaub dort mehr als genossen habe, muss einem bewusst sein, dass man monatelang alleine ist – gute 12.000 km entfernt von allem, was man kennt und liebt. Alles ist völlig anders, ob es um Arztbesuche, die Beschaffung von Medikamenten oder das einfache Einkaufen geht. Andere Länder, andere Sitten, wie es so schön heißt. Und wenn man, wie ich, dieses Abenteuer alleine plant, ist man eben auch wirklich alleine. Daher sollte im Voraus alles penibel geplant sein, und man sollte sich wirklich, wirklich sicher sein, dass man das auch möchte.
Wenn man sich dann dazu entschlossen hat, bereit für solch einen Lebensabschnitt zu sein, muss man nahezu alles planen – selbst das, was eigentlich gar nicht vorherzusehen ist, eben alles, was passieren könnte. Dazu zählen nicht nur die bekannten Naturkatastrophen in Japan wie Erdbeben, Taifune und Tsunamis, sondern auch vermeintlich banale Dinge wie ein Internetausfall. Das wäre ein echtes Problem, und zwar nicht, weil ich dann nicht mehr abends auf Instagram abhängen könnte, um die neuesten Trends aus dem Land zu checken, sondern schlicht, weil ich dann nicht mehr arbeiten könnte. Das ist nur eines von vielen möglichen Worst-Case-Szenarien. Da ich nicht an einem einzigen Ort bleibe und jeden Monat in einer anderen Präfektur wohne, ist es absolut wichtig zu wissen, wie und wo ich überall an stabiles Internet komme. Welche Möglichkeiten gibt es? Zum Beispiel mobile WLAN-Router, Hotspots über das Smartphone und ähnliches – all das sollte man vorher genau planen. Natürlich ist das Internet in Japan grundsätzlich besser als in Deutschland, und auch Hotspots gibt es fast überall. In meinen Wohnungen ist WLAN verfügbar, aber für mein Abenteuer habe ich lieber vier Notfallpläne als keinen.
Aha – und was noch?
Angefangen beim Visum, das bei Einreise auf maximal 90 Tage beschränkt ist und vor Ort in Tokio (oder der jeweiligen Präfektur in der man sich befindet) mit einem Antrag beim Einwohnermeldeamt verlängert werden kann, bis hin zu Flügen mit offenem Ende (Open Return Ticket), Auslandskrankenversicherungen für Aufenthalte über sechs Wochen und natürlich den Kosten für so ziemlich alles. Da ich bisher leider in keiner Lotterie gewonnen habe, sollte ich vor Beginn des Abenteuers wissen, was mich der Spaß kosten wird – plus Reserven. Neben Unterkünften, Internetverträgen fürs Smartphone und verschiedenen Versicherungen sollte man sich auch mit den Besonderheiten des Ziellandes vertraut machen. Einige Gegebenheiten in Japan sind nun mal die bereits erwähnten Naturkatastrophen. Für deutsche Staatsbürger gibt es dafür beispielsweise das ELEFAND, das „Elektronische Erfassungssystem für Deutsche im Ausland“. Das ist eine digitale Krisenvorsorgeliste, bei der man sich registriert. Im Falle einer Naturkatastrophe oder eines Krieges wird man dann automatisch informiert, wenn Deutschland Rückholaktionen oder ähnliches plant. Auch mit den Möglichkeiten vor Ort – Notfall-Apps, zentrale Sammelpunkte, Kriseninformationszentren und vielem mehr – sollte man sich vorab vertraut machen. Die Liste an Dingen, die man beachten, kennen und planen sollte, könnte ich endlos weiterführen. Vielleicht werde ich das in zukünftigen Beiträgen auch mal im Detail erläutern.