Ach Hamura!
Ach Hamura!

Ach Hamura!

Lesedauer 6 Minuten

Keine Sorge, es wird diesmal kein Japan-Bashing. Aber seit ich in Hamura lebe, sind mir einige Dinge aufgefallen.

Ich liebe diese Stadt – wirklich. Und das nicht nur, weil der Bahnhof in zartem Rosa erstrahlt. 😉

Doch während ich Tag für Tag durch Hamuras Straßen streife und meine Entdeckernatur mich bis nach Oku-Tama geführt hat, ist mir vor allem eines bei meinen nächtlichen Streifzügen durch meinen aktuellen Wohnort aufgefallen: Hamura ist nicht nur von der Yokota US Air Force Base geprägt, sondern auch von einer gewaltigen industriellen Präsenz durchzogen.

Nachts, oft weit nach 2 Uhr, bin ich stundenlang an riesigen Industrieanlagen vorbeigelaufen, die scheinbar niemals schlafen. Funkelnde, neue LKW rollten aus dem Hino-Werk, und ich passierte weitere Fabriken von einer schier unbeschreiblichen Größe. Diese Stadt atmet Industrie – bei Tag kaum wahrnehmbar, doch nachts allgegenwärtig.

Tagsüber hingegen offenbarte sich mir ein ganz anderes Bild: Während ich durch unzählige Parks schlenderte, das Rauschen des Flusses auf mich wirken ließ und kleine grüne Oasen entdeckte, stieß ich immer wieder auf Freizeitanlagen, die wie verlassene Orte wirkten – und sich später tatsächlich als solche herausstellten. Trotz ihrer modernen und makellos gepflegten Erscheinung waren viele Spielplätze und Parkanlagen verwaist. Freizeitangebote schienen geschlossen, darunter Schwimmbäder, öffentliche Wasserparks, in denen sich im Sommer Groß und Klein barfuß abkühlen könnten, und selbst einfache überdachte Sitzbereiche in kleinen Parks. Der Hamura Zoo, über den ich bereits berichtete, vermittelte ebenfalls eher den Eindruck eines Relikts vergangener Zeiten als eines lebendigen Ausflugsziels.

Diese Diskrepanz ließ mich nicht los. Wie konnte eine Stadt, die auf den ersten Blick ein wirtschaftliches Kraftzentrum mit florierender Industrie und einer strategisch wichtigen Militärbasis ist, gleichzeitig so viele brachliegende Freizeitangebote haben? Ich begann zu recherchieren und stieß auf die Website der Stadt – eine Fundgrube an Dokumenten, die weit in die Vergangenheit zurückreichen.

Vergangenheit

In der Tat war Hamura einst ein wichtiger und wohlhabender Wirtschafts- und Industriestandort. Hamura florierte, und das war nicht nur in den Stadtkassen, sondern auch am Lebensstandard der Bürger spürbar. Durch große Industrien, insbesondere aus der Automobilbranche in den umliegenden Städten wie Ōme, fanden sich in Hamura zahlreiche Zulieferbetriebe dieser großen Werke. Die Steuereinnahmen summierten sich auf Milliarden Yen, und der Wohlstand war in der Stadt überall sichtbar. Fast schon gigantische Projekte, wie die Neugestaltung des Westausgangs des Hamura Bahnhofs, wurden begonnen – ein Vorhaben, das Millionen verschlang und noch immer verschlingt.

Gegenwart

Leider sollte ich mit meiner Vermutung recht behalten: Hamura steht finanziell auf wackeligen Beinen. Auf den ersten Blick merkt man es vielleicht nicht, doch nach ein paar Tagen und intensiverer Auseinandersetzung mit der Stadt, ihren Attraktionen (die sich im Wesentlichen übrigens auf den Hamura Zoo beschränken) und ihren Menschen wird schnell klar – hier läuft etwas gewaltig schief.

Ein riesiger Industriestandort in Ōme, das ehemalige Toshiba-Werk, hat vor einigen Jahren seine Pforten für immer geschlossen. Dies traf nicht nur die Stadt Ōme, sondern vor allem viele Zulieferer in Hamura – und damit auch die gesamte Wirtschaft der Stadt. Ein nicht zu unterschätzender Teil der Industrie brach quasi über Nacht weg. Die Monate und Jahre danach verließen, wie in einer nicht aufzuhaltenden Kettenreaktion, weitere Unternehmen den Standort Hamura. In der Folge sanken die Steuereinnahmen von ¥11,34 Milliarden (2008) auf ¥10,52 Milliarden (2018), während die Sozialausgaben parallel um ¥3,48 Milliarden auf insgesamt ¥10,75 Milliarden Yen anstiegen. Die Rücklagen der Stadt schmolzen in diesem Zeitraum von ¥5,32 Milliarden auf ¥2,74 Milliarden Yen dahin. Auf der einen Seite steht also ein gewaltiger Wirtschaftseinbruch, und auf der anderen Seite eine immer älter werdende Bevölkerung, die die Stadtkassen zusätzlich belastet.

Ein beliebtes Freibad (水上公園) sowie der angrenzende Wasserpark der insbesondere für sein „Lazy River“-Becken bekannt war, wurde 2019 aufgrund zu hoher Betriebskosten vorübergehend geschlossen. Trotz einer Unterschriftensammlung von mehr als 500 Bürgerinnen und Bürgern blieb das Schwimmbad und auch der Wasserpark geschlossen. Bis heute, Februar 2025, ist die Anlage geschlossen. Die Becken sind leer und die Anlage verfällt zusehends – ein trauriger Lost Place mitten in der Stadt. Damit verlor Hamura eine der wichtigsten Freizeiteinrichtungen, die sowohl für den öffentlichen Badespaß als auch für Schul- und Kita-Exkursionen genutzt wurde.

Doch damit nicht genug: Auch das Hallenbad der Stadt erlitt ein ähnliches Schicksal. Nach dem Einsturz des Daches im Jahr 2020 musste es vorübergehend geschlossen werden, da zeitnah keine Wiederaufbaumaßnahmen finanziert werden konnten. Erst vor einigen Jahren konnte das Bad wieder in Betrieb genommen werden. Es ist inzwischen ein beliebter Freizeitort, der neben Schwimmspaß auch ein Fitnesscenter und weitere Sportangebote umfasst.

Zukunft

Doch wie sieht die Zukunft für Hamura aus? Wird sich die Stadt wirtschaftlich stabilisieren können?

Die Stadtverwaltung hat bereits Notfallmaßnahmen ergriffen, um den Haushalt zu konsolidieren. Dazu gehören rigorose Einsparungen, das Einfrieren nicht zwingend notwendiger Projekte und die Suche nach alternativen Einnahmequellen. Ein vielversprechender Ansatz ist das Sponsoring durch private Unternehmen, wodurch einige städtische Einrichtungen neue Einnahmen generieren sollen.

Dennoch bleibt die Zukunft von Hamura ungewiss. Der Bevölkerungsrückgang setzt sich fort, und mit ihm schrumpft die Steuerbasis. Die Stadt muss dringend neue Industriezweige anlocken oder sich verstärkt auf Tourismus und innovative Geschäftsmodelle konzentrieren, um die wirtschaftliche Abwärtsspirale aufzuhalten.

Ein Hoffnungsschimmer könnte das Westausgangs-Projekt des Bahnhofs sein, das sich mit einer nun verlängerten Bauzeit bis 2036 enorm verzögert, aber langfristig für eine Modernisierung des Stadtbildes sorgen könnte. Die geplanten Infrastrukturprojekte sollen mehr Investoren und Unternehmen in die Region locken. Doch ob das ausreicht, um Hamura aus der finanziellen Schieflage zu holen, bleibt fraglich.

Eines steht fest: Hamura wird in den kommenden Jahren große Herausforderungen meistern müssen – und nur durch clevere Stadtentwicklung und wirtschaftliche Innovation kann es gelingen, den Abwärtstrend zu stoppen und die Stadt wieder in eine wohlhabendere Zukunft zu führen.

Und Yokota?

Die Yokota US Air Force Base, die sich teilweise auf dem Gebiet von Hamura befindet, hat einen erheblichen Einfluss auf die Stadt – sowohl positiv als auch negativ. Einerseits bringt die Basis wirtschaftliche Vorteile: Sie generiert Arbeitsplätze für Einheimische, fördert lokale Geschäfte durch den Konsum der stationierten Soldaten und deren Familien und sichert der Stadt staatliche Zuschüsse. Die japanische Regierung stellt jährlich spezielle Kompensationsgelder bereit, um die Belastungen für die umliegenden Gemeinden zu reduzieren. Diese Mittel fließen in Infrastrukturprojekte, Bildungsprogramme und soziale Einrichtungen.

Doch die Präsenz der Air Force Base ist auch mit finanziellen und infrastrukturellen Belastungen verbunden. Durch die militärische Nutzung gehen Hamura erhebliche Grundsteuereinnahmen verloren, da das Gelände nicht besteuert wird. Zudem verursacht der Flugbetrieb Lärmbelästigung, die zusätzliche Ausgaben für Lärmschutzmaßnahmen in Wohngebieten und öffentlichen Gebäuden mit sich bringt. Ebenso entstehen Kosten für die Anpassung der städtischen Infrastruktur an die Sicherheitsauflagen der Basis, was Planungen und Bauprojekte erschwert.

Insgesamt bleibt die Yokota Base für Hamura ein zweischneidiges Schwert: Sie bietet wirtschaftliche Chancen und finanzielle Hilfen, bringt aber auch strukturelle Nachteile und steigende Verwaltungskosten mit sich.

Verwendete Quellen

https://www.city.hamura.tokyo.jp

https://shimin-undo-np.jp/

https://www.city.fussa.tokyo.jp

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