Ich. Ich und meine verrückten, spontanen Ideen. Okay – eigentlich sind meine Ideen gar nicht so spontan; sie wirken nur so. Ich zer- und überdenke alles monate- und nächtelang. Doch wenn ich mir sicher bin, posaune ich meine Idee in die Welt und setze sie meist noch am selben Tag um. Daher wirkt es oft, als würde ich so ziemlich alles in meinem Leben spontan und unüberlegt aus dem Bauch heraus entscheiden.
So geschah es auch ein paar Monate vor meinem Japan-Urlaub im September 2024, als ich plötzlich meiner Familie und meinen Freunden erzählte, dass ich nächstes Jahr nach Japan ziehe und direkt nach dem Urlaub mein Auto verkaufe. Irgendwie hat es bis heute nicht mit dem Reichwerden geklappt, der letzte Nachfahre eines reichen Königs bin ich auch nicht, und auch meine Ersparnisse reichten nicht ganz für mein Vorhaben aus. Nachdem ich alles mehrmals und gründlich überdacht hatte – und fünf Minuten vergangen waren – fiel in mir die endgültige Entscheidung: Ich verkaufe mein Auto. Das lässt sich leicht schreiben, und mit Blick auf einen großen Lebenstraum war es auch relativ einfach. Doch mein Auto war ebenfalls ein Traum von mir gewesen, den ich mir vor wenigen Jahren erfüllt und für den ich auf vieles verzichtet hatte. Fun Fact: Ich habe immer gesagt, dass mich mein Auto „irgendwann nach Japan bringt.“ Nun geht die Geschichte weiter, und ohne Auto ist das Leben – oder zumindest mein Leben – gar nicht so einfach, vor allem nicht, wenn man wie ich in einer anderen Stadt arbeitet. Da ich mein Auto aber noch hatte und der Japan-Urlaub noch einige Monate entfernt lag, habe ich das drohende Problem erst einmal in die Schublade „Zukunftsproblem“ gelegt – wird schon werden…
Das neue Auto
Ich saß mit einem Asahi Super Dry in der Hand – und acht weiteren Bieren, die bereits in mir verschwunden waren – angetrunken neben einem meiner besten Freunde, mitten in Tōkyō auf der Terrasse unserer Urlaubsunterkunft. Wir ließen den Tag Revue passieren, und ich schwelgte schon in Gedanken an meine Zukunft in Japan. Beiläufig erwähnte ich, dass ich für mein Abenteuer nächstes Jahr mein Auto verkaufe, sobald wir zurück sind, und fragte Alex, ob er eine Idee hätte oder jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt… – über den ich günstig an ein kleines Auto für die mir verbleibende Zeit in Deutschland käme. Der letzte Ton meines Satzes war kaum verklungen, da wäre Alex fast an seinem Bier erstickt. Ein empörter Blick stach mir aus seinem Gesicht entgegen! Den genauen Wortlaut unserer dann folgenden Konversation gebe ich hier aus Datenschutz- oder Jugendschutzgründen nicht wieder :p
Hää? Ich hab dir doch schon dreimal gesagt das mein Auto nur rumsteht, warum willst du eins kaufen? Du nimmst mein Auto!
Diesen leicht abgeänderten Satz lasse ich mal als Zusammenfassung unserer Unterhaltung stehen. Das Ergebnis unserer Freundschaft und dieses Gesprächs bringt mich seit meiner Rückkehr nach Deutschland jedenfalls täglich zur Arbeit und sicher wieder nach Hause. Wahre Freunde! Das muss man einfach mal erwähnen – das ist nicht nur eine wahnsinnig liebe Geste, sondern eine, die mir eine Menge Zeit und Geld gespart hat. Und noch dazu das Vertrauen in mich, mir sein eigenes Auto mal eben für drei Monate zu leihen – dafür fehlen mir schlicht die Worte.
Vielen, vielen Dank dafür – ありがとうございます – おにいちゃん <3
Die Traumverwirklichung
Ein bisschen komisch fühlte es sich schon an, als die Tür des Autohauses ins Schloss fiel und ich zu Fuß den Parkplatz verließ, ohne ein eigenes Auto zu besitzen. Doch schon im nächsten Moment überkam mich eine Woge puren Glücks. Ich war nur noch wenige Schritte von meinem Ziel entfernt, für das ich bis zu diesem Tag alles gegeben hatte. Jetzt war der Moment gekommen: Der Moment, in dem ich die Wohnungen mieten und meine Flugtickets kaufen würde.
Noch am selben Abend begann ich damit, meine reservierten Flüge zu bestätigen und die monatelang geplanten Wohnungen entlang meiner Wunschroute zu kontaktieren. Bis alles wirklich in trockenen Tüchern, bezahlt und bestätigt war, vergingen fast zwei schlaflose Nächte. Ich funktionierte einfach – erfüllt von Glücksgefühlen und etlichen Litern Kaffee ging ich morgens arbeiten und widmete mich nach Feierabend direkt wieder der Planung. Die Wohnungen so zu buchen, dass die Mietzeiträume immer genau mit dem Beginn der neuen Wohnung in einer anderen Stadt endeten, war gar nicht so leicht – doch dies war der letzte Schritt. Nach dem finalen Klick auf „Senden“, mit dem ich meine Unterlagen und alle erforderlichen Dokumente an die Vermieter am anderen Ende der Welt schickte, war es nun tatsächlich wahr geworden. Es dauerte noch einige Tage, bis ich wirklich begriff, dass mein Traum nach all den Jahren tatsächlich wahr wird.
Bis auf eine winzige Kleinigkeit, die meinen gesamten Plan verändert hat, habe ich alles so umgesetzt, wie ich es jahrelang geplant hatte. Wenn da nur nicht das kleine Städtchen Kawagoe (川越市) gewesen wäre…