Über eine Woche ist vergangen, seit ich meinen Traum verwirklicht habe und ihn nun tatsächlich lebe! Vorgestern Abend habe ich mit einem Freund, der schon seit vielen Jahren in Japan lebt, Zeit in Chiyoda verbracht – genauer gesagt in der Nähe der Tokyo Garden Terrace Kioicho. Dabei haben wohl einige Biere und andere alkoholische Leckereien ihren Weg zu mir gefunden.
Natürlich könnte man sich in Japan zu jeder beliebigen Uhrzeit und an jedem Tag etwas gönnen, aber gerade am Wochenende zieht einen die japanische Gesellschaft förmlich in den abendlichen Feier- und Trinktrubel. Und ich lasse mich von dieser Energie natürlich nur zu gerne mitreißen!
Heute Morgen wurde ich, wie fast jeden Tag, mit einem wolkenlosen, strahlend blauen Himmel geweckt, dessen sanftes Blau durch meine Fenster drang. Ich habe meine 53-Quadratmeter-Wohnung, mein Auto und all das, was nicht in mein 23 kg schweres Gepäck gepasst hat, gegen ein Leben hier in Kawagoe getauscht. Ich liebe meine genau 7帖 (11,34m2) große Wohnung, die nur die Dinge enthält, die ich im Alltag wirklich brauche. Bislang steht hier noch keine Pflanze, keinerlei Deko, nichts. Ja, es mag etwas karg wirken, aber eigentlich ist es super gemütlich.
Ich habe meine Wohnung immer als einen Ort angesehen, der stets perfekt gestaltet und aufgeräumt sein muss. Es war fast eine Belastung, jeden Tag die Zimmer zu saugen, alles zu wischen, die hunderten Gegenstände in und auf den Regalen abzustauben. Auf dem Weg durch die Räume zündete ich noch schnell überall Duftkerzen an, während ich zwei von drei Räumen kuschelig warm hielt – wohl wissend, dass ich mich als Single nur in einem Raum gleichzeitig aufhalten kann. Warum habe ich das alles gemacht? Der seltene Besuch kommt doch wegen mir, nicht um zu überprüfen, ob ich auch unter dem Laminat staubgewischt habe und ob alle 33 Duftkerzen erneuert wurden und brennen. Doch genau so habe ich gedacht und gehandelt – meine Wohnung in der alten Heimat war zu jedem Zeitpunkt wie ein Museum. Es war schön, ich mochte es, aber viel zu oft fehlte das Leben darin.
Seit 8 Tagen bin ich hier – und ich spüre, dass ich wirklich lebe! Meine Wohnung ist funktional: Mein kleiner Schreibtisch wird auch mal zum Wäsche- oder Esstisch, und mein kleiner Wohnzimmertisch dient als Arbeitstisch, wenn ich am Laptop sitze – wenn ich nicht gerade ein paar Minuten von meiner Wohnung entfernt am Hikawa-Schrein bin und in der Sonne arbeite.
Lass mich dir von meinem Alltag erzählen – und am Ende erfährst du, ob ich hier in Japan glücklich bin oder ob alles nur in meinem Traum so unbeschwert war.
Der Alltag
Ich weiß wirklich nicht, wo ich anfangen soll – es gibt so viele Themen, über die ich schreiben möchte: so viele Kuriositäten und süße Dinge. Vielleicht fange ich erst einmal mit den wichtigsten Bereichen an, in denen die Unterschiede zwischen meiner alten und neuen Heimat am größten sind.
Einkaufen
Gestern, in der Nacht von Sonntag auf Montag, war ich kurz nach 1 Uhr nachts im Supermarkt einkaufen – einfach, weil ich Hunger hatte. Alles, was ich zu Hause hatte, konnte meine nächtlichen Gelüste nicht stillen. Da ich die Nacht liebe und nicht sofort wieder nach Hause wollte, bin ich noch gemütlich shoppen gegangen: ein Paar neue Schuhe und eine neue Schreibtisch-Unterlage für meinen Laptop. Die Tatsache, dass es hier Geschäfte gibt, die bis 2 Uhr nachts oder sogar rund um die Uhr geöffnet haben – und ich spreche nicht von den Konbinis – begeistert mich jedes Mal aufs Neue. Allein durch diese Möglichkeit hat sich mein Leben mindestens um 40% entschleunigt. Ich mache alles, was ich gerade tue, einfach entspannt, ohne ständig auf die Uhr zu schauen oder daran zu denken, dass ich noch einkaufen muss, weil bald das Wochenende beginnt. Wenn ich länger unterwegs bin, ist das kein Problem – dann erledige ich meinen Einkauf eben ein bisschen später, vielleicht mitten in der Nacht.
Selbst für wichtige Medikamente wie Ibuprofen (hier bekannt als Bufferin) brauche ich nicht in die Apotheke zu gehen. Fast alle rezeptfreien Medikamente bekomme ich hier im Drogeriemarkt, und auch diese haben teilweise 24 Stunden geöffnet. Und nein, es gibt hier keine Nachtzuschläge, wie man sie aus Deutschland kennt. Alles kostet genauso viel wie am Tag.
Okay, nicht alles! Manche Dinge werden nachts sogar günstiger. Im Supermarkt betrifft das vor allem frische Lebensmittel, die je später der Abend wird, immer mehr reduziert werden. Niemand möchte unnötig Lebensmittel verschwenden, also gibt es zu später (oder früher) Stunde Rabatte von bis zu 50%.
Und apropos Essen: Ich liebe es, hier gemütlich frühstücken zu gehen – zum Beispiel im Doutor Café. Dabei lese ich in Ruhe die Nachrichten auf YAHOO! Japan und starte entspannt in den Tag.


Haushalt
Wenn ich einmal außer Acht lasse, dass ich in Deutschland deutlich mehr Geräte mit hoher Leistung gleichzeitig betreiben kann – also zum Beispiel die Mikrowelle, einen Fön, 13 Fernseher und 12 Drucker – ohne dass der Schutzschalter auslöst, muss ich sagen, dass der japanische Haushalt in vielerlei Hinsicht mal wieder besser ausgestattet ist.
Es gibt hier wirklich verrückte und zugleich geniale Haushaltshelfer. Ein großartiges Beispiel ist die XXL-Fusselrolle – nicht für Kleidung, sondern für den Fußboden! Bei Krümeln oder Flusen muss es also nicht immer gleich der Staubsauger sein. Und das Beste daran: Sie ist völlig lautlos, sodass man sie auch nachts problemlos verwenden kann. Solche durchdachten, praktischen Lösungen machen den Alltag hier einfach angenehmer und ganz nebenbei finde ich das unglaublich süß ^.^


Wo wir gerade bei Fusseln sind … ich liebe es, hier in Japan Wäsche zu waschen. Nicht nur, dass es unzählige Produkte gibt – und mit unzählig meine ich wirklich viele: nicht nur zwei oder vier Sorten, sondern eher an die Hunderte! Besonders bei Waschmitteln, Cremes und anderen Pflegeprodukten ist die Auswahl einfach überwältigend groß. Und im Gegensatz zu den Produkten, die Ariel in Deutschland anbietet, liebe ich die japanischen Produkte von アリエール (Ariēru ~ Ariel), insbesondere die Pods.
Selbst von den Dusch-Peelings der Marke Dove, die wir auch in Deutschland kennen, gibt es hier Produkte und Varianten, die ich noch nie gesehen habe. Am liebsten würde ich mich durch alle durchprobieren.
Was ich auch großartig finde: Während in Deutschland erst jetzt die Kaltwäsche bei 30 Grad in der Werbung gehyped wird, ist es hier in Japan absolut normal, auch mit 15 Grad zu waschen. Für mich muss es jedenfalls nicht immer die klassische 40-, 60- oder 90-Grad-Wäsche sein. Manchmal reicht es vollkommen, wenn ich einfach nur den Eisfleck von meinem frisch angezogenen Pullover loswerden will. Und was mache ich dann? Genau: 10 Minuten bei 15 Grad waschen, danach 20 Minuten im Trockner – und der Pullover ist sauber, trocken und riecht fantastisch.
Während die Maschine läuft, mache ich dann mit meiner XXL-Fusselrolle den Boden wieder flusenfrei. Effizient, leise und entspannt – das liebe ich einfach!



Natürlich sind hier auch Bügelbretter und Co. etwas kleiner, was natürlich daran liegt, dass das Platzangebot in meiner Wohnung deutlich begrenzter ist. Aber genau das finde ich irgendwie total süß. So sitze ich dann oft auf dem Boden, bügle meine Wäsche, während meine Lieblingsmusik läuft, und blicke durch die Balkonbrüstung über die Dächer der Nachbarshäuser.
Sogar im Wetterbericht wird hier erwähnt, ob und wann es die beste Zeit ist, um seine Wäsche draußen zu trocknen und zu lüften. Genau solche Kleinigkeiten sind es, die mir immer wieder dieses warme Gefühl tief in mir geben. Es sind die kleinen Dinge, die mich hier so glücklich machen und den oft so stressigen Alltag unglaublich erleichtern. Für alles gibt es eine Lösung, ein Mittelchen oder ein praktisches Werkzeug. Und genau diese Liebe zum Detail schätze ich hier so sehr.


Typisch Japan
Hier gibt es Socken und Handschuhe, die sich selbst aufheizen – einfach genial! Aus den Getränkeautomaten kann ich mir im Winter neben kalten Getränken auch heiße Getränke und sogar Suppen ziehen, wie etwa Krebs-, Mais- oder Tomatensuppe. Diese kommen nach nur wenigen Sekunden heiß und trinkfertig heraus – unglaublich praktisch.
Als ich eine neue Powerbank brauchte, hatte ich die Qual der Wahl: Von 1000 mAh über 2500 mAh, 5000 mAh bis hin zu 25.000 mAh war alles dabei. Aber nicht nur das – ich konnte mir sogar die Farbe und das Motiv meiner Powerbank aussuchen. Hier scheint wirklich alles möglich zu sein.
Ähnlich bei der Getränkeauswahl: Es gibt so viele Größen, von 0,2 über 0,3, 0,5, 0,7 bis hin zu 1,0, 1,5 oder 2 Litern. Und bei alkoholischen Getränken kann ich meist sogar die Prozentzahl wählen – ob 2%, 4%, 7%, 9% und mehr. Die Auswahl ist einfach unfassbar vielfältig.
Egal, was ich hier tue oder wohin ich gehe, alles fühlt sich an wie im Schlaraffenland. Dieses Überangebot, diese Liebe zur Vielfalt und die ständige Verfügbarkeit machen das Leben hier einfach besonders.


Gibt es auch irgendetwas schlechtes zu berichten?
Na klar, mit Sicherheit! Wenn ich es gefunden habe, melde ich mich wieder 😉
Also… happy or not?
Ich könnte diese Frage auf viele Arten beantworten, aber die kurze Antwort lautet: Ja, ich bin absolut glücklich! Mein Puls ist messbar niedriger geworden, und Stress existiert in meinem Alltag praktisch nicht mehr. Das liegt vor allem daran, dass ich hier so gut wie alles, was im normalen Leben anfällt, zu jeder Tages- und Nachtzeit erledigen kann.
Ich wurde hier noch kein einziges Mal angerempelt, doof angemacht oder unangenehm behandelt. Dinge, die für mich vorher völlig unvorstellbar waren, sind nach nur einer Woche zur Normalität geworden. In meiner unmittelbaren Umgebung gibt es einen Fluss, an dem ich es liebe, einfach in der Sonne zu sitzen. Ich laufe täglich mindestens 10 Kilometer – und selbst wenn nichts Besonderes passiert, wirklich gar nichts, kann ich nicht aufhören zu grinsen.
Ob ich einfach nur eine stinknormale Straße entlanglaufe oder die Umgebung genieße – meine Freude steht mir buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Der Grund dafür ist simpel: Ich bin hier. Es mag verrückt klingen, aber genau so ist es.
Ich bin einfach glücklich und unglaublich dankbar, dieses Abenteuer erleben zu dürfen.
Wäre ich ein Auto, würde ich ganz bestimmt so aussehen.
Großartig …du bist da angekommen wo du schon immer sein wolltest…. genieße das Glück 💕
Dankeschön 🩷 ich gebe mein Bestes
Whoop Whoop
kuruma wa ureshii desu, gino mo ureshii desu
Das Auto ist glücklich, Gino auch 😀
Es ist schön, dass du dich in Japan selbst reflektierst. Manchmal braucht man Abstand von allem, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist.
Du hast Japan als „Kurort“ für deine persönliche Reha angegeben und man merkt von Tag zu Tag wie gut es dir tut.
Wer die XXL-Fusselrolle nicht kennt, hat noch nie asiatische Werbevideos auf Instagram oder Tik Tok gesehen und/oder noch nie bei Ali Express etc. eingekauft. Ich wollte so eine Rolle auch immer haben, aber so lange auf Ersatzrollen zu warten, hat mich bisher abgeschreckt 😛
In Deutschland würde man sagen, dass das Müll verursacht und nicht nachhaltig ist. Nimm einen Besen, das geht genauso gut 😀
Zum Glück passen die in Deutschland im Handel erwerbbaren Fusselrollen auch darauf, das ist so eine Einehitsbreigröße. Ob die aber genau so gut sind, sprich kleben, dass weiß ich natürlich nicht. Ja natürlich würde ein Besen noch deutlich nachhaltiger sein, allerdings wirbelt der auch wieder Staub auf, der ja auch an der Rolle kleben bleibt. Das merke ich als Allergiker deutlich.