Seit ich diesen Blog begonnen und für einige Monate in Japan gelebt habe, hat sich vieles verändert – in mir und um mich herum. Ich habe viel geschrieben, geteilt, und viele Menschen haben mich auf meiner Reise begleitet. Doch in letzter Zeit ist es ruhiger geworden hier. Nicht nur, weil mir oft die Zeit fehlt, jeden Gedanken mit der Welt zu teilen – auch wenn ich es gerne würde –, sondern weil sich mein Herz verändert hat. Weil ich an einem neuen Buch schreibe. Und weil in mir so viele Gedanken explodieren, wie ein buntes Feuerwerk, dass ich kaum hinterherkomme, sie alle einzufangen, zu sortieren und in Worte zu kleiden.
Mein Herz hat sich verändert? Ja. Es ist voller geworden, vielleicht klüger. Auch stiller ist es geworden. Und gleichzeitig so viel klarer. Früher war ich oft zerrissen zwischen dem, was war, und dem, was ich mir wünschte. Doch heute weiß ich, wohin ich gehöre – weil ich gespürt habe, wo ich es nicht mehr tue. Seit ich fort war, sehe ich meine alte Heimat mit einem neuen Blick. Deutschland fühlt sich mir seltsam fern an. Nicht feindlich, nur kalt – nicht mehr mein Zuhause. Es ist, als hätte ich lange versucht, in ein Bild zu passen, das nie ganz meines war. Jetzt, mit etwas Abstand, sehe ich es: die Enge, die Schwere, die Lieblosigkeit, die ständige Eile, die kaum Platz lässt für leise – meine – Träume. Ich merke, dass ich mich nicht mehr wirklich wohlfühle – nicht, weil es schlecht ist, sondern weil es nicht mehr zu mir passt. Ich weiß jetzt, worauf es mir im Leben ankommt. Ich weiß, was ich brauche, um mich lebendig zu fühlen – und was ich loslassen darf, weil es mir nicht mehr guttut. Ich habe gelernt, klar zu sehen: Was mein Herz nährt. Was es belastet. Und was es frei macht. Es ist nicht Ablehnung. Es ist und wird ein Abschied in Frieden. Und sicherer denn je, weiß mein Herz wohin es gehört.
Mein Herz gehört Japan
Nicht auf diese touristische Weise, nicht aus einem Hype heraus, nicht, weil ich Animes liebe, das japanische Essen oder die atemberaubende Natur. Sondern weil ich dort etwas gefunden habe, das ich nie erwartet hätte: Geborgenheit. Und den leisen Gedanken, dass ich dort vielleicht nicht nur unterwegs bin, sondern ganz ich selbst bin. Ich träume nicht mehr davon, nach Japan zu gehen. Ich bin gegangen. Und ich habe gespürt: Das ist mein Zuhause. Nicht für einen Urlaub. Nicht für einen flüchtigen Moment. Sondern für immer.
Und während ich diesen Traum weiterverfolge – mit allem, was in meiner Macht steht –, habe ich auch etwas anderes erkannt: Ich bin nicht dafür gemacht, Wurzeln zu schlagen wie ein Baum. Ich bin Wind. Ich bin Fluss. Ich brauche kein Haus mit Fenstern, durch die immer derselbe Himmel blickt. Keine Straße, die ich auswendig kenne. Keine Nachbarn, die sich nie verändern. Ich brauche Bewegung. Orte, die ich lieben darf. Und Orte, von denen ich mich lösen kann, ohne dass dabei etwas verloren geht.
Viele Menschen träumen davon, irgendwann irgendwo „anzukommen“, ein Haus zu bauen mit einem schönen Garten. Für mich ist genau dieses Ankommen das Reisen selbst.
Nicht, weil ich das Ziel verloren hätte – sondern weil ich es nun klarer sehe als je zuvor. Meine Heimat ist kein Ort. Sie ist ein Gefühl. Ein Rhythmus. Unterwegs zu sein. Immer wieder. Ich liebe es, die Koffer zu packen. Neue Sprachen zu lernen. Fremde Schriftzeichen zu entziffern. Die ersten Schritte in einer fremden Stadt zu machen. Ich liebe es, nicht zu wissen, was der nächste Tag bringt. Ich brauche keinen festen Ort. Kein dauerhaftes Zuhause. Nur einen Platz, an dem ich schlafen, schreiben, arbeiten, kochen kann. Und vor allem eines: leben.
Und so stehe ich jetzt da – mit gepackten Koffern und einem Herzen, das nicht stillstehen will.
Noch nicht. Denn es zieht mich weiter – nicht fort von Japan, sondern tiefer hinein in meine Wahlheimat Asien. Ich will nicht die ganze Welt sehen. Ich brenne nicht für Europa, nicht für Amerika, nicht für das Ferne – sondern für das Nahe, das mich ruft. Mein Herz schlägt für Asien. Für seine Sprachen, seine Menschen, seine Wärme – und auch seine Widersprüche.
Und genau deshalb führt mich meine nächste Reise nach Taiwan.
Ein Land, das Japan auf leise Weise nah ist – und doch ganz eigen. Ich habe dort eine Freundin, mit der ich seit über einem Jahr schreibe, ohne dass wir uns je persönlich begegnet sind. Taiwan hat mich nie laut gerufen. Aber stetig. Nicht mit der gleichen Wucht, wie Japan mich einst gerufen hat – aber mit stiller Beharrlichkeit. Wie ein Flüstern. Und jetzt ist der Moment, diesem Flüstern zu folgen.
Was mich besonders fasziniert, ist die Schrift. Denn auch wenn Chinesisch und Japanisch in Klang und Grammatik völlig verschieden sind, teilen sie sich viele Zeichen. Durch mein Japanisch verstehe ich bereits einiges. Und auch wenn das nichts „Besonderes“ ist – schließlich stammt das japanische Schriftsystem aus dem Chinesischen –, schenkt es mir ein Gefühl von Verbindung. Ein leises sprachliches Zuhause. Auch dort. Und das fühlt sich schön an.
Für meine Reise lerne ich nun Chinesisch – nicht so intensiv wie Japanisch, aber mit aufrichtigem Respekt. Denn ich möchte dem Land, das mich empfängt, auch etwas schenken. Auch wenn viele – vielleicht sogar die meisten – Menschen dort Englisch sprechen, und manche sogar Japanisch, möchte ich meinen Alltag in Taiwan auf Chinesisch bewältigen. Nicht, weil ich es muss. Sondern weil ich es will. Weil Sprache für mich mehr ist als ein Werkzeug. Sie ist eine Brücke – in die Herzen anderer Menschen. Und ich möchte diese Brücke gehen.
Ungefähr einen Monat werde ich in Taiwan bleiben – und meine Abenteuer-Liste ist mal wieder lang und leuchtend:
✨ Das A-Mei Teahouse in Jiufen, hoch oben in den Bergen, zwischen Nebelschwaden und Laternenlicht. Ein Ort, der an Ghibli-Filme erinnert – als wäre Chihiros Reise dort aus dem Tee aufgestiegen. Die engen Gassen von Jiufen duften nach Oolong und Straßenküche, durchzogen von der Melancholie vergangener Tage.
🐉 Die Drachen- und Tigerpagode in Kaohsiung, an einem stillen See gelegen. Ein Tempel, in dem man durch das Maul des Tigers schreitet und als anderer Mensch wieder herauskommt – so sagt man.
☀️ Der Sun Moon Lake, der größte See Taiwans, eingebettet in sanfte Hügel. Morgens liegt er still wie ein Spiegel, mittags tanzen Boote darauf, abends senkt sich ein goldener Glanz über das Wasser.
🌾 Die Gaomei Wetlands, ein Windmeer aus Gras und Himmel, in dem der Sonnenuntergang zur leisen Offenbarung wird.
Wie könnte es anders sein – ich liebe in die Wolken ragende Architektur. Je höher ein Tower, desto besser. Da darf dieses Bauwerk natürlich nicht fehlen: Das 🏙️ Taipei 101, das ikonische Symbol einer modernen, zugleich traditionsbewussten Metropole. Ich möchte es nicht nur sehen, sondern fühlen – von unten nach oben, vom Trubel bis zur Stille im Ausblick.
🌿 Und Beitun New Village – ein stiller, geschichtsträchtiger Ort. Eine alte Militärsiedlung, über die die Zeit hinweggegangen ist, aber nicht spurlos. Vielleicht finde ich dort Geschichten, die noch niemand erzählt hat.
Ich…
Ich kann es kaum erwarten, all das zu sehen, zu riechen, zu schmecken. Einfach zu sein. Taiwan in mich hineinfließen zu lassen. Mich in seine Farben und Geräusche einzuhüllen, als wären sie eine zweite Haut.
Und vielleicht ist das das Schönste: Ich liebe schon jetzt jeden Zentimeter dieses Landes – ohne je dort gewesen zu sein. Jede Farbe, jede Straßenlaterne. Ich freue mich auf den Regen auf meiner Haut, auf die Sonne, die mich blendet, auf die Geräusche, die zu jeder Stunde anders sind – bei Tag und Nacht, bei Nebel und Regen. Ich freue mich auf enge Gassen, in denen das Leben flüstert, und auf Orte voller Weite, in denen die Stille laut wird.
Ich werde am Ende dieser Reise sicher vieles nicht gesehen haben, was man als Tourist „gesehen haben muss“. Aber ich werde Taiwan kennen – auf meine Weise. Vielleicht verbringe ich einen Tag damit, einfach durch die Straßen zu streifen. Häuser und Strommasten zu betrachten. Stundenlang auf einen See zu schauen und dabei jedes Detail in mich aufzunehmen. Ich werde spüren, ob die Hauseingänge wie in Japan liebevoll mit Herz und Seele dekoriert sind – oder ob sie, wie in Deutschland, von Zäunen umgeben und von akkuratem Rasen flankiert sind.
Diese Kleinigkeiten, die andere übersehen – sie erzählen mir mehr als jede Sehenswürdigkeit. Weil ich nicht nach dem grellen Licht suche, sondern nach dem Leisen. Nach dem Wahrhaftigen. Und genau das ist meine Art zu reisen.
Und ja – ich freue mich besonders aufs Essen. Taiwan ist berühmt für seine Nachtmärkte – und ich will mich mit ganzem Herzen durch sie hindurchfuttern. Von süß bis würzig, von Knusper bis Schmelz. Ich will mir die Finger klebrig machen, die Lippen brennend scharf, und am Ende einfach satt und glücklich daliegen – irgendwo zwischen Dumplings und Mango Shaved Ice.
Und danach?
Danach geht es zurück – ich arbeite an meinem Lebenstraum – daran in Japan zu leben. Nicht an einem bestimmten Ort. Sondern dorthin, wo mein Herz ruft. Vielleicht ziehe ich oft um. Vielleicht bleibe ich länger an einem Ort. Vielleicht wird es Hamura. Oder ein ganz neuer Fleck auf der Karte meines Lebens. Aber immer offen. Immer mit Blick auf das, was kommt.
Denn ich weiß jetzt: Ich muss nicht irgendwo ankommen. Ich bin angekommen – in meinem Lebensweg. Und dieser Weg führt mich durch Asien. Leicht bepackt. Offen im Herzen. Nicht als Flucht. Sondern als Lebensform.
Weil das mein Rhythmus ist. Mein Atem.

Übrigens… 🕊️ Im Januar nächsten Jahres ist es so weit. Dann beginnt mein Abenteuer in Taiwan. Und natürlich nehme ich euch hier auf diesem Blog mit – Wort für Wort, Moment für Moment.
Beitragsbild: MagicTV
Ich musste erstmal tief durchatmen. So viel Klarheit, so viel Herz. Ich freu mich riesig für dich, dass du deinen Weg gefunden hast – dass du weißt, wohin dein Herz gehört. Und gleichzeitig macht es mich unendlich traurig. Weil ich spüre, dass du irgendwann wirklich „weg“ sein wirst 😞
Es fühlt sich ein bisschen an wie leises Abschiednehmen.
Ich wünsch dir von Herzen, dass du weiterhin so mutig, frei und echt bleibst – und dass du immer Menschen findest, die dich wirklich sehen.
Bis es soweit ist, müssen wir definitiv noch mal einen zweiten Versuch für unseren Soju-Abend starten 🤭 Der letzte lief nicht wie geplant 😅
HDGDL 🫶
(ich bin alt, ich darf das noch so schreiben 😋)