Neue Erfahrung – Friseur
Neue Erfahrung – Friseur

Neue Erfahrung – Friseur

Lesedauer 8 Minuten

Schon bevor ich meine Reise antrat, war mir bewusst, dass selbst ein einfacher Friseurbesuch in Japan zu einer ganz neuen Erfahrung werden könnte. Es klingt vielleicht banal, in einem fremden Land zum Friseur zu gehen, doch das, was ich heute erlebt habe, hat mich nicht nur glücklich gemacht – es war eine dieser besonderen Begegnungen, die mich einmal mehr spüren lassen, warum ich Japan so sehr liebe.

Wie schon bei meinem Klinikbesuch war eine Online-Terminreservierung erforderlich. Und wie schon vor wenigen Tagen scheiterte ich genau daran. Also bat ich meinen Vermieter um Hilfe. Ohne zu zögern sagte er zu, regelte alles für mich und klopfte wenig später mit einem Lächeln an meine Tür. In der Hand hielt er sein Smartphone, zeigte mir den Friseursalon und die Preise, und gemeinsam legten wir Datum und Uhrzeit fest. Später schrieben wir noch über den Messenger, und er bot mir an, mich zu begleiten – quasi als Dolmetscher –, damit alles reibungslos klappt.

Heute war es dann so weit. Pünktlich um 16:30 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Haarsalon 10style in Kawagoe. Schon auf dem Weg dorthin wurde mir klar, dass dieser Tag mehr als nur ein Friseurbesuch werden würde. Zum ersten Mal unterhielten wir uns ausführlicher – mit einer Mischung aus Japanisch, Englisch und Japenglisch, ergänzt durch Google Translate und seine Live-Übersetzungsfunktion. Wir lachten viel und erzählten einander von unseren Leben. Dieser Spaziergang war für mich bereits ein kleines Highlight.

Ich mag Herrn Sato wirklich sehr – ja genau, der Chirurg aus der Shiba Angel Clinic hieß ebenfalls so. 😀 Hier in Kawagoe scheint Sato ein weit verbreiteter Nachname zu sein; selbst einige Restaurants tragen diesen Namen. Doch mein Vermieter ist nicht einfach nur ein weiterer Herr Sato – er ist ein unglaublich freundlicher und hilfsbereiter Mensch. Dass er sich die Zeit genommen hat, mich zu begleiten und mir zu helfen, ist für mich keine Selbstverständlichkeit. Immer wieder staune ich über die Herzlichkeit und Wärme, die mir hier begegnet.

Im Haarsalon

Der Haarsalon 10 Style (テンスタイル) ist – wie einfach alles hier – unglaublich stilvoll eingerichtet. Schon beim Betreten spürte ich die wohlig-warme Atmosphäre, die der Empfangsbereich ausstrahlte. Wir wurden vom Chef persönlich begrüßt, und schnell stellte sich heraus, dass die Kommunikation auf Englisch problemlos möglich war – eine kleine Erleichterung für mich. Bevor es losging, nahm sich der Chef Zeit für eine ausführliche Beratung. Er zeigte mir verschiedene Haarschneidegeräte, erklärte mir ihre Unterschiede und Möglichkeiten und half mir dabei, die beste Methode für meine Wunschfrisur auszuwählen. Das Ganze geschah in einer Ruhe und Gelassenheit, die mich wirklich überraschte. Während ich im Wartebereich auf einem bequemen Stuhl saß, hockte er sich neben mich und erklärte mir geduldig jedes Detail – ein Service, den ich in dieser Form noch nie erlebt hatte.

Nachdem wir uns darauf geeinigt hatten, welche Haarschneidemaschinen in welcher Reihenfolge zum Einsatz kommen sollten und was genau heute gemacht wird, wurde ich in den hinteren Bereich des Salons geführt – zum Haarewaschen. Dort wartete ein luxuriöser Ledersessel auf mich, der technisch keine Wünsche offen ließ.

Da ich noch meine Brille trug, bat mich der Chef, sie abzunehmen, und legte sie sorgfältig an meinen späteren Platz. Eine zierliche Frau bereitete mich auf die Haarwäsche vor: Sie legte mir ein Handtuch um die Schultern, darüber einen wasserdichten Umhang, und schließlich bedeckte sie meine Augen mit einem weichen Tuch, damit kein Wasser hineinspritzen konnte. Dann lehnte sich der Stuhl vollelektrisch nach hinten, und mit perfekt temperiertem Wasser begann die Haarwäsche. Die zarten Finger der Frau glitten sanft über meine Kopfhaut, wuschen und massierten meine Haare mit einer fast schwerelosen Präzision. Es war so angenehm und entspannend, dass ich den Moment einfach nur genießen konnte.

Nach wenigen Minuten kehrte der Stuhl langsam in die aufrechte Position zurück, und ich wurde zu einem anderen Platz im Salon geführt – bereit für den nächsten Schritt meiner ganz besonderen Friseurerfahrung.

Haare schneiden

Der Chef rollte auf einem Stuhl neben mich, und wir gingen noch einmal die einzelnen Schritte durch – was genau gemacht werden sollte und in welcher Reihenfolge. Dann begann das eigentliche Meisterwerk.

Unzählige Haarschneidemaschinen, mehr als fünf verschiedene Scheren und unterschiedlichste Kämme kamen zum Einsatz. Ich verfolgte das geschäftige Treiben im Spiegel, fasziniert von der Präzision und Eleganz seiner Bewegungen. Seine Hände glitten mit fließender Leichtigkeit um meinen Kopf, und mit jeder seiner Gesten veränderte sich mein Aussehen.

Zunächst wurden die Seiten in feinen Stufen immer kürzer rasiert, bis schließlich ein spezieller Rasierer zum Einsatz kam, der alles millimetergenau auf die gewünschte Länge brachte. Meine längeren Haare hatten im Laufe der Zeit etwas gelitten, daher entschieden wir uns dazu, auch die Spitzen zu schneiden – ein letzter Schliff für eine perfekte Frisur.

Währenddessen führten wir ein entspanntes, humorvolles und offenes Gespräch. Wir sprachen über Japan und Deutschland, unser Lieblingsessen, Bier und meine Zeit hier. Egal, worüber ich mich unterhalte – irgendwie kommt immer die Frage auf, was ich hier mache und wie lange ich bleiben werde. Und jedes Mal, wenn ich davon erzähle, blicke ich in erstaunte, aber erfreute Gesichter.

Die Begeisterung für meine Pläne ist jedes Mal spürbar. Anders als es in manchen Social-Media-Blasen gerne behauptet wird, erfahre ich hier keine Ablehnung – ganz im Gegenteil. Die Menschen, denen ich begegne, freuen sich über meine Entscheidung, so lange hier zu bleiben, und unterstützen mich mit ehrlicher Neugier und Offenheit.

Bart rasieren

Sanft drehte sich mein Stuhl, dann wurde ich langsam in eine liegende Position gekippt. Wieder bedeckte ein weiches Handtuch meine Augen – ein Zeichen, dass nun der nächste Schritt begann. Der Chef nahm sich persönlich meinem Bart an.

Ich spürte und hörte, wie unterschiedliche Scheren präzise durch meinen Bart glitten. Immer wieder strich er mit einem Pinsel über mein Gesicht und meinen Hals, um lose Haare zu entfernen. An den Wangen und am Oberlippenbart hob er das Handtuch behutsam an, schnitt die entsprechenden Stellen mit ruhiger Hand und ließ das Tuch dann wieder sanft über mein Gesicht sinken. Die gesamte Prozedur hatte etwas Meditatives und ich hatte meine Mühe, mich nicht gänzlich ins Traumland zu verabschieden.

Während der Chef sorgfältig die geschnittenen Haare zusammenfegte, trat ein dritter Friseur an meine Seite und begann mit der Vorbereitung der eigentlichen Rasur. Zunächst erhielt ich eine wohltuende Gesichtsmassage, die meine Haut entspannte und auf die Rasur vorbereitete. Anschließend legte er mir ein heißes, feuchtes Handtuch auf das Gesicht. Der Duft der Pflegeprodukte war einfach unglaublich – angenehm, beruhigend, luxuriös. Ich hätte ewig so liegen bleiben können. Doch nach nur wenigen Minuten wurde es wieder hell, das warme Tuch wurde entfernt.

Erneut wurde ein neues, gelartiges Produkt aufgetragen – der Duft erneut unbekannt, aber ebenso gutriechend. Mit sicherer Hand glitt das Rasiermesser über mein Gesicht, präzise und sanft zugleich. Immer wieder prüfte der Friseur mit den Fingerspitzen jede Stelle. Fand er auch nur das kleinste widerspenstige Haar, begann er die Prozedur von vorne – solange, bis nichts als makellos glatte Haut übrig blieb.

Ich musste mich nicht einmal selbst berühren, um zu wissen, wie glatt mein Gesicht nun war. Ich konnte es einfach spüren.

Face Shaving

Zu meiner Überraschung hatte ich mit meinem Termin auch ein Face Shaving gebucht – eine Erfahrung, die weit über das hinausging, was ich erwartet hatte. Neben der Bartpflege wurde meine Stirn, meine Nase, die gesamten Wangen, ja sogar meine Ohren und Augenlider sowie der gesamte Bereich bis hin zum Nacken mit dem Rasiermesser behandelt. Es fühlte sich nicht nur unglaublich gut an – es war eine völlig neue Erfahrung für mich.

Selbst meine Augenbrauen wurden sorgfältig in Form gebracht. Nach einer weiteren kurzen Gesichtsmassage kam erneut das wohlig-warme Handtuch zum Einsatz, bevor es für mich ein weiteres Mal in den hinteren Bereich des Salons zum Haarewaschen ging. Noch immer spürte ich keine einzige Hautirritation – die Pflegeprodukte und das warme Tuch fühlten sich einfach fantastisch an.

Nachdem meine Haare erneut gewaschen worden waren und der Stuhl wieder vollelektrisch in eine aufrechte Position fuhr, passierte etwas völlig Unerwartetes: Plötzlich begann eine kleine Kopf- und Nackenmassage. Meine Verwunderung stand mir wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben – zum Glück sah mich in diesem Moment niemand.

Während ich mich noch fragte, womit ich diesen Luxus verdient hatte, wurde ich zurück zu meinem Platz geführt – begleitet von der Frage, ob ich Kraftsport treibe. Offenbar wirke ich mit meiner breiten Statur so, als würde ich regelmäßig trainieren. Ich nahm das Kompliment gerne an, musste aber schmunzelnd zugeben, dass ich eher unsportlich bin. 😅 Schön wär’s – aber in dieser Hinsicht bin ich einfach nur faul.

Zum Abschluss kam der Föhn zum Einsatz. Zwischen dem summenden Geräusch, das mir in die Ohren blies, konnte ich Wortfetzen heraushören – erneut drehten sich die Gespräche um Japan und Deutschland, Bier und Bratwurst. Dann fiel plötzlich eine Haarbürste auf den Boden. Sofort folgte ein höfliches すみません (sumimasen), der Föhn wurde ausgeschaltet, eine frische Bürste geholt, und es ging nahtlos weiter – wieder einmal war ich beeindruckt von der Akribie und Sorgfalt.

Und schließlich der Moment der Wahrheit: Das perfekte Ergebnis. Begeistert konnte ich nur ein erstauntes すごい (sugoi) hervorbringen, während ich mit den Fingern mein Gesicht abtastete – ich konnte kaum glauben, wie unglaublich glatt meine Haut war. Ich wusste nicht einmal, dass sich meine eigene Haut so gut anfühlen konnte.

Nach mehreren ありがとうございます (arigatō gozaimasu) und einigen lobenden Worten meinerseits auf Englisch ging es schließlich zur Kasse – mit einem breiten Lächeln im Gesicht und einer völlig neuen Erfahrung im Gepäck.

An der Kasse

Normalerweise schreibe ich ungern über Preise, aber diesmal muss ich einfach eine Ausnahme machen.

Ich habe das unfassbare Glück, dass ein wertvoller Mensch, den ich sehr liebe – nämlich meine Tante – Friseurmeisterin ist. Dadurch bin ich bisher kaum jemals wirklich mit den Kosten eines Friseurbesuchs in Berührung gekommen. Doch heute haben drei Menschen fast eineinhalb Stunden an meinem Aussehen gearbeitet. Mit Massagen, sanften und präzisen Bewegungen führten sie Scheren, Rasiermesser und Haarschneidemaschinen – mit völliger Hingabe, Ruhe und Perfektion.

Ich kenne zumindest die Preise in Deutschland und habe mich auch in Japan durch zahlreiche Haarsalon-Websites geklickt. Für mich wäre es absolut in Ordnung gewesen, wenn diese Behandlung 100 Euro gekostet hätte. Ja, das ist viel Geld – aber mit dem zugebuchten Face Shaving, den Massagen und allem Drum und Dran fühlte sich das Ganze mehr wie ein Wohlfühl-Wellness-Besuch an als ein gewöhnlicher Friseurtermin.

Doch der Preis lag nicht bei 100 Euro. Er lag nicht einmal bei 50 Euro.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie sich das wirtschaftlich rechnet – vor allem angesichts der hohen Lebenshaltungskosten in Japan. Vielleicht sind andere Dienstleistungen wie Färben, Dauerwellen und spezielle Stylings das Hauptgeschäft? Oder liegt es einfach an der japanischen Perfektion und Servicekultur? Ich habe keine Antwort darauf, aber eines weiß ich: Ich bin absolut geflasht.

Ich verließ den Haarsalon vollkommen entspannt, überglücklich – und ein bisschen aufgeregt.

Ja, es war nur ein Friseurbesuch. Aber genau darum geht es mir. Alles, was ich hier erlebe, macht mich wirklich glücklich. Ich wache morgens mit einem Lächeln im Gesicht auf – und gehe abends mit einem noch viel größeren Lächeln wieder ins Bett.

4 Kommentare

  1. lilli

    So muss es sein, ich bin immer wieder fassungslos, wie manche hier arbeiten. Nägel modellieren ja, Handpflege oder mal ein sauberes, warmes Tuch gegen die staubigen Hände, nein. Friseur: Haare machen ja, aber selten bekommt man das, was gewünscht war, zusätzlich mal die Augenbrauen zupfen nein und wenn, dann sehr halbherzig, überhaupt Gesichtsenthaarung in Deutschland, NEIN. Nackenmassage, nachdem man mehrmals lange Zeit rückwärts in einem harten Becken gelegen hat, nein, bloß nicht, bitte keinen Service, sonst fühlt der Kunde sich am Ende noch wohl und kommt wieder. Pediküre ja, Fußmassage oder Pflege, nein. Es gibt nie ein volles Programm, immer nur Fragmente, dafür aber Preise als hätte man eine Generalüberholung beim Gesichtschirurgen gebucht. Ich habe für Ansatz färben, Spitzen schneiden und ungewollte Haarkuren und trocken fönen 270 Euro bezahlt!!! In einer Stadt mit hoher Arbeitslosenquote und ohne Weihnachtsbeleuchtung, weil kein Geld dafür da ist, nicht auf der KÖ in D-´dorf (!) und es sah fürchterlich aus. Von der Freundlichkeit wollen wir mal gar nicht sprechen, in meinem Kaffee befanden sich die herumfliegenden Haare, denn die Ablage wurde mit einer vermutlich schon 100 x benutzten weichen Bürste abgewuschelt. Einen einfachen Haken für die Handtasche oder den Rucksack gibt es nirgendwo, den Rucksack muss man auf den Boden stellen (!) Wann lernen die Dienstleister in D-Land mal Service, Nettigkeit und Zugewandtheit? Ich bin jetzt grad ein wenig neidisch auf japanischen Service 😉 Werde mich bald davon selbst überzeugen. Gino, ich freue mich für Dich, dass Du sowas erleben darfst, aber es wird ein Schock für Dich werden, wieder hier zu sein.

  2. Rebecca

    Ich kann mich da Lilli nur anschließen. Dem ist eigentlich nichts hinzu zu fügen. Service-Wüste Deutschland, gerade in den Dienstleistungsgewerben an der Tagesordnung. Alle haben gefühlt keinen Bock für oder mit Menschen zu arbeiten. Zumindest kommt es oft so rüber.

    Da ist Japan von Grund auf natürlich anders und selbst, wenn es in wenigen Fällen nur eine gespielte Freundlichkeit ist, wird hier der Kunde respektvoll behandelt.

    Ich möchte nicht ausschließen, dass es in Deutschland auch irgendwo einen Friseur, Barbershop, Massagesalon o. ä. gibt, die ebenso wert auf respektvollen Umgang legen, aber die Regel ist es leider nicht.

    1. Ohhh – danke für deine lieben Worte. Sicherlich gibt es auch in Japan Ausnahmen, in denen Dinge nicht so großartig sind (mir ist bisher aber nichts bekannt) – so, wie es in Deutschland eher die Regel ist. Umso mehr liebe ich es, dass hier Höflichkeit, Respekt und vor allem absolut großartiger Service die Norm sind. Hach… wäre es doch nur überall so – die Welt wäre ein schönerer Ort.

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